1917 Österreichische Stimmen zur Russischen Revolution by Moritz Verena

1917 Österreichische Stimmen zur Russischen Revolution by Moritz Verena

Autor:Moritz, Verena
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Residenz Verlag
veröffentlicht: 2017-04-19T16:00:00+00:00


59 — De Pottere, Moskau, 5. September 1918, Nr. 45.

Betr.: Massenterror.

Seiner Exzellenz dem Herrn k.u.k. Minister des Aeussern Stefan Grafen Burián von Rajecz, Wien.

Wie ich Euer Exzellenz gestern unter Nr. 114 telegraphisch zu berichten die Ehre hatte, ist seitens der Regierung ein Erlass publiziert worden, der in seiner unerhörten Grausamkeit und Rücksichtslosigkeit wohl alles Dagewesene schlägt.

Um den ›Konterrevolutionären‹ jedwede Lust zu benehmen, noch weitere Attentate, wie sie in letzter Zeit gegen prominente Spitzen der Bolschewiki verübt worden sind, zu versuchen, wird nahezu alles, was nicht gerade zum Proletariate gehört, vogelfrei erklärt. Der Erlass, der die Unterschrift des Volkskommissärs des Innern, Petrowski*, trägt und den ich mir gestatte in deutscher Übersetzung hier vorzulegen, öffnet jedweder Willkür Tür und Tor.

Der ›Massenterror‹, von dem im letzten Monate hier fort und fort die Rede war (zuletzt mein Telegramm Nr. 88 vom 22. v. Mts.), wird nun zur Wirklichkeit, und alles versucht zu flüchten, was halbwegs zur Intelligenz, zur Bourgeoisie, zum Offizierskorps oder zum Kaufmannsstande gehört. Man hat hier in den letzten sechs Monaten alle früheren besitzenden Klassen systematisch und mit kalter Berechnung an den Bettelstab gebracht; nun werden sie als Ganzes auch in ihrer persönlichen Sicherheit gefährdet und für Freiwild erklärt. In jeder Stadt, in jedem Dorfe werden alle den gegenwärtigen Machthabern Missliebigen zum mindesten festgenommen werden, wenn ihnen nicht Aergeres zustösst.

[…] Freilich breitet sich über all die im Dienste von Ideen und des Machthungers geübte Unmenschlichkeit immer wieder die Frage, ob diese Gewalttätigkeit nicht ein Zeichen von Furcht und Schwäche ist. Nur wer nichts mehr zu verlieren hat und jedweden Verantwortlichkeitsgefühls bar ist, kann als Regierender mit solchen Mitteln der Verzweiflung um sich schlagen.

Kopfschüttelnd fragt sich nun hier die Bourgeoisie, wieso die Zentralmächte sich mit dieser Gattung von Regierung an denselben Tisch setzen können. Allgemein wird dies als ein Zeichen ohnmächtiger Schwäche gedeutet. Aus dem Innersten der russischen Seele aber ringt sich der geheime Wunsch, das Schicksal möge die Protektoren der sozialen Anarchie mit der gleichen Seuche geißeln.

Gott beschütze unser Vaterland!

OeStA/HHstA PA X 150



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