Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition) by Götz W. Werner
Autor:Götz W. Werner [Werner, Götz W.]
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi
Herausgeber: Ullstein eBooks
veröffentlicht: 2013-09-12T22:00:00+00:00
Wenn »Mitarbeiter führen« bedeutet, die Leistung anderer zu ermöglichen, dann zielt das immer auf unternehmerisches, selbstverantwortliches Handeln.
Reinhard K. Sprenger
KAPITEL 9 âDialogische Führung
oder wie ich endlich sehen lernte und aufhörte,
den Mitarbeitern Anweisungen zu geben
Die Lernschritte, die dm im Laufe der Jahrzehnte vollzog, verliefen in keinster Weise kontinuierlich, sondern sprunghaft. In der Regel wurde uns erst im Nachhinein klar, dass wir gerade wieder etwas Wesentliches gelernt oder geändert hatten. Insofern fanden wir die Begriffe für die Entwicklung von dm immer erst in der Rückschau. In der Reflexion unserer Unternehmenskultur zusammen mit Hellmuth J. ten Siethoff stieÃen wir erstmals auf die »drei Phasen dynamischer Organisationsentwicklung«, wie sie Bernard Lievegood in seinem Institut NPI entwickelt hatte. Demnach startet ein Unternehmen mit der Pionierphase, kommt dann in die Differenzierungsphase und mündet schlieÃlich in die Integrationsphase.
In der Pionierphase steht und fällt alles mit dem Unternehmer, der als Hansdampf in allen Gassen unterwegs ist und das Chaos durch Charisma in Zaum hält. Ganz sicher waren die 1970er Jahre bei dm in dieser Weise von mir geprägt gewesen. Erst mit dem Wachstum begann ich, Aufgaben und Verantwortung abzugeben, es bildeten sich spezielle Abteilungen mit Fachleuten, die besser Bescheid wussten als ich. Da waren wir im Laufe der 1980er Jahre angelangt. Wir steckten mitten in der Differenzierungsphase mit all ihren Ambivalenzen. Denn einerseits war es natürlich richtig, Fachabteilungen zu schaffen, die eigene Kompetenzen herausbildeten. Andererseits lief man dadurch Gefahr, dass die gerade erst geschaffenen Strukturen in Windeseile erstarren. Man bringt alles in Ordnung, und schon steckt man im Gefängnis der formalen Arbeitsteilung. Die Mitarbeiter sind nur noch für dies zuständig, nicht aber für jenes. Sie tragen Scheuklappen, die ihren Blick auf ihr spezifisches Arbeitsfeld verengen, rechts und links bleibt die Arbeit unbeachtet und unerledigt. Zahlreiche Unternehmen kommen über diese Phase nicht hinaus. Der visionäre Gründer ist überfordert, fühlt sich in den groÃen Strukturen nicht mehr wohl, kann das Ganze nicht mehr überblicken. Die Mitarbeiter verharren in ihren Positionen, statt Kooperation gibt es Konkurrenz. Am Abteilungsdenken zerbricht die Gemeinschaft. Meist heiÃt die Lösung: umstrukturieren. Man bricht die »alten« Strukturen auf und schafft neue. Dummerweise bleibt das Prinzip das gleiche: alter Wein in neuen Schläuchen. Weiterhin denkt und handelt jede Abteilung für sich, es findet sich kein neuer Unternehmenszusammenhalt. Das Schiff gerät ins Schlingern.
Auch dm steckte in dieser Dynamik. Das Wachstum war gewollt und geplant. Als ich 1973 startete, machte ich nicht einen Laden auf, sondern den ersten. Anfangs hatte ich alles noch selbst in der Hand, kümmerte mich um jedes Detail. Aber als zu dem ersten der zweite und nach und nach weitere Filialen hinzukamen, fragten wir uns schnell, wie man ein solches Unternehmen führt. Das taten wir nach der Eröffnung des zweiten Ladens genauso wie nach der Eröffnung des zwanzigsten. Als wir etwa dreiÃig oder vielleicht vierzig Filialen hatten, Ende der 1970er Jahre, war klar, dass wir die Führungsfrage nicht mehr allein beantworten können, sondern deutlich professioneller werden mussten. So kam dann Hellmuth J. ten Siethoff ins Spiel. Auch die Marketingprofis, mit den wir zusammenarbeiteten, haben uns immer wieder
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