Winesburg, Ohio (German Edition) by Anderson Sherwood

Winesburg, Ohio (German Edition) by Anderson Sherwood

Autor:Anderson, Sherwood [Anderson, Sherwood]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Random House DE
veröffentlicht: 2012-02-05T23:00:00+00:00


TANDY

Bis zu ihrem siebten Lebensjahr bewohnte sie ein altes, ungestrichenes Haus an einem unbefahrenen Weg, der vom Trunion Pike abzweigte. Ihr Vater widmete ihr nur wenig Aufmerksamkeit, und ihre Mutter war tot. Der Vater verbrachte seine Zeit damit, über Religion zu reden und nachzudenken. Er bezeichnete sich als Agnostiker und war so damit beschäftigt, die Vorstellungen von Gott, die sich in den Köpfen seiner Nachbarn eingenistet hatten, zu zerstören, dass er gar nicht sah, wie Gott sich in dem kleinen Kind offenbarte, das, halb vergessen, hie und da von der Freigebigkeit der Verwandten seiner toten Mutter lebte.

Ein Fremder kam nach Winesburg und sah in dem Kind, was dessen Vater nicht sah. Er war ein großer, rothaariger junger Mann, der fast immer betrunken war. Manchmal saß er mit Tom Hard, dem Vater, auf einem Stuhl vor dem «New Willard House». Wenn Tom redete, erklärte, es könne gar keinen Gott geben, lächelte der Fremde und zwinkerte den Umstehenden zu. Er und Tom wurden Freunde und waren viel zusammen.

Der Fremde war der Sohn eines reichen Kaufmanns aus Cleveland und war mit einer Mission nach Winesburg gekommen. Er wollte sich von seinen Trinkgewohnheiten heilen und glaubte, indem er seinen Kumpanen in der Stadt entfloh und in einer ländlichen Gemeinde lebte, hätte er bessere Chancen im Kampf mit dem Verlangen, das ihn zerstörte.

Sein Aufenthalt in Winesburg blieb ohne Erfolg. Die Ödnis der vergehenden Stunden führte nur dazu, dass er stärker denn je trank. In einem aber hatte er Erfolg. Er gab Toms Tochter einen Namen, der reich an Bedeutung war.

Eines Abends kam der Fremde, er erholte sich gerade von einer langen Ausschweifung, die Hauptstraße der Stadt dahergetorkelt. Tom Hard saß auf einem Stuhl vor dem «New Willard House», seine damals fünf Jahre alte Tochter auf den Knien. Neben ihm auf dem Brettergehsteig saß der junge George Willard. Der Fremde ließ sich auf einen Stuhl neben ihnen fallen. Sein Körper zitterte, und als er sprach, bebte seine Stimme.

Es war spät am Abend, und die Stadt und die Bahnstrecke, die am Fuß eines kleinen Hangs vor dem Hotel verlief, lagen im Dunkeln. Irgendwo in der Ferne Richtung Westen erscholl der anhaltende Stoß aus der Pfeife einer Personenlokomotive. Ein Hund, der an der Straße geschlafen hatte, erhob sich und bellte. Der Fremde begann zu brabbeln, und er machte eine Prophezeiung hinsichtlich des Kindes, das in den Armen des Agnostikers lag.

«Ich bin hergekommen, um mit dem Trinken aufzuhören», sagte er, und Tränen liefen ihm über die Wangen. Er blickte Tom Hard nicht an, sondern saß vornübergebeugt da und starrte in das Dunkel, als hätte er eine Vision. «Ich bin aufs Land geflüchtet, um Heilung zu finden, aber ich bin nicht geheilt. Das hat einen Grund.» Er wandte sich dem Kind zu, das nun kerzengerade auf des Vaters Knie saß und den Blick erwiderte.

Der Fremde fasste Tom Hard am Arm. «Der Alkohol ist nicht meine einzige Sucht», sagte er. «Es gibt noch eine andere. Ich bin ein Liebender und habe meine Liebe nicht gefunden. Das ist ein wichtiger Punkt, wenn Sie genügend Ahnung haben, um zu erkennen, was ich meine.



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