Wer den inneren Schweinehund besiegen will, muss die Sau rauslassen by Peter Vollmer

Autor:Peter Vollmer [Vollmer, Peter]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-7325-3078-6
Herausgeber: Bastei Lübbe AG
veröffentlicht: 2016-10-25T23:00:00+00:00

Imageberatung. Du bist vielleicht ’ne Marke!

Okay, es gelingt mir nun zwar, mit meiner Unterschrift zu dokumentieren, dass ich ein Mann von Charakter und Persönlichkeit bin; was mir aber als Manko erscheint, ist die Tatsache, dass mir ein klares Image, ein Profil, vielleicht ja auch nur so etwas wie ein ganz banales Erkennungsmerkmal fehlt.

Bei einem Essen mit meinem Manager und Agenten Andreas stelle ich daher die Frage: »Was genau macht eigentlich ein Imageberater?«

»Ein Imageberater würde wissen wollen, was der Kern deiner Persönlichkeit ist. Deine Botschaft. Womit du in Erinnerung bleibst.«

»Das sind ziemlich genau die Fragen, von denen ich eigentlich hoffen würde, dass er sie mir beantwortet.«

»Die kannst du aber erst mal nur selber beantworten. Denn die betreffen ja deinen Content.«

»Meinen was?«

»Das, was du inhaltlich zu sagen hast. Worum es dir geht.«

»Nun ja, so etwas wie mein Lebensthema ist doch die Frage nach der männlichen Identität.«

»Genauer!«

»Die Frage nach der männlichen Identität im Spannungsfeld von emanzipatorischer Frauenbewegung, komplexer Arbeitswelt und digitalisiertem Alltag.«

»Ich kriege eine Gänsehaut.«

»Wieso?«

»War nur ein Spaß. Wenn du was von Spannungsfeld laberst, klingt das, als wärst du beim Kolloqium für Examenskandidaten.«

»Verstehe.«

»Eine interessante Frage wäre jetzt zum Beispiel, wie du auch dem letzten Deppen zeigen kannst, dass du im Spannungsfeld von Emanzipation und all dem anderen Zeugs doch noch ein kerniger Mann bist.«

Eine interessante Frage. In der Tat. Als ich wenig später auf dem Rückweg bin und an einem Geschäft vorbeiradle, das sich »Barber Shop« nennt, kommt mir die Idee: Warum denn eigentlich kein Bart? Das wäre mehr als simpel und vielleicht gerade deswegen wirkungsvoll. Wenn es ein körperliches Merkmal gibt, mit dem man (in der Öffentlichkeit) seine Männlichkeit zeigen und betonen kann, dann ist das der Bart. Und in einer Zeit, in der daran gearbeitet wird, Geschlechterverschiedenheiten unter den Teppich zu gendern, ist das ein Statement. Da beziehe ich eine ganz klare Position. Im Hinblick auf die aktuelle Bartmode kommt noch ein nicht unwesentlicher Punkt hinzu: Sie gefällt mir. Gerade den Verweis auf die Vergangenheit, als es noch klarere Vorstellungen von Männlichkeit gab, finde ich reizvoll. Nun sind Hipster-Bärte ein Trend, aber sowohl in der Nachbarschaft wie auch in meinem beruflichen Umfeld sind sie bisher nur wenig verbreitet. Hier hätte ich mit einem solchen Anhängsel also die Nase vorn. Davon abgesehen: Vielleicht kann man ja auch eine spezielle Variante dieser Barttracht kultivieren. Ich hätte nicht einfach einen Bart, sondern er wäre – um nur mal ein Beispiel zu nennen – grün. (Wenn es Leute gibt, denen es gelingt, sich mit einem roten Irokesenschnitt ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu brennen, dann sollte das mit einer gefärbten Kinnbehaarung doch auch funktionieren.) Ich würde bekannt als »der mit dem grünen Bart«. Ja, ich könnte damit sogar zur Spitze einer »Grünbart-Bewegung« werden, genau der Männerbewegung, die es eigentlich seit Jahrzehnten schon geben müsste, von der hier und da schon gemunkelt und schwadroniert wurde, die sich dann aber doch nie so richtig gefunden hat. Nun aber bin ich derjenige, der dazu auserkoren ist, als Messias der Männlichkeit das vielfach gescholtene Geschlecht wieder zu neuem Selbstbewusstsein und neuer Stärke zu führen.

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