Wer anders liebt (German Edition) by Fossum Karin

Wer anders liebt (German Edition) by Fossum Karin

Autor:Fossum, Karin [Fossum, Karin]
Die sprache: deu
Format: epub, azw3, mobi
Herausgeber: Piper ebooks
veröffentlicht: 2010-09-30T23:00:00+00:00


24

Er stand am Fenster und schaute hinaus, die Hände auf die breite Fensterbank gestützt. Die Mutter des Bauern kam über den Hofplatz, sicher will sie Eier holen, dachte er, sie hatte nur einen altmodischen Korb über dem Arm, der ruinierte ihren Rhythmus, machte sie schlechter zu Fuß, als sie eigentlich war. Ihm fiel auf, dass sie ausgeprägte O-Beine hatte, ihre Knochen gaben nach, den Jahren und der Schwerkraft. Er stellte sich vor, dass sie sich jeden Knochen im Leib brechen würde, wenn sie stürzte. Er wich ein wenig zurück, sie sollte ihn nicht sehen, so vor dem Fenster. Ich bin eine leise Seele, dachte er, ich falle nicht auf, und wenn mir doch jemand begegnet, verhalte ich mich höflich und vorbildlich.

Die alte Frau verschwand beim Hühnerstall, und er schaute zum Hügelkamm hinauf. Da kam ein Auto angefahren, es hielt bei den Briefkästen. Vielleicht kam die sehnlich erwartete Rente. Er ging zum Sofa, setzte sich hin und drehte Däumchen. Es geht mir nicht gut, dachte er, überhaupt nicht. Ein Ausflug in die Stadt wäre nett, dachte er, aber sich unter den Menschen sehen zu lassen, war nun zu einem ernsthaften Risiko geworden. Die Leute waren auf der Hut, sie beobachteten scharf. Er entspannte sich erst, wenn der Abend kam, wenn sich die Dunkelheit über das Altenteil senkte, und wenn noch ein Tag vergangen war, ohne dass die Polizei ihn aufgespürt hatte. Er hatte Angst vor dem sogenannten Aufklärungsquotienten, er wusste, dass sie alle ihre Kräfte aufwandten, um ihn zu finden, dass andere Kriminelle ungeschoren davonkamen, weil er die höchste Priorität hatte. Eine Befragung an allen Häusern war angekündigt worden, und sein Gehirn mühte sich ab, um einen Plan zu ersinnen. Aber wo er doch nicht vorbestraft war, konnte ihm doch nichts passieren, oder? Denn um ihn zur Vernehmung holen zu dürfen, brauchten sie einen konkreten Verdacht, mehr als nur die Tatsache, dass er sich im fraglichen Bezirk aufgehalten hatte. Er sprang auf und ging hin und her, ruhelos und zugleich energisch, der Teufel hole die Leute, dachte er, während seine Wangen vor Erbitterung brannten, der Teufel hole alle, die nicht verstehen.

Beim Gedanken an das, was passiert war, pochte und schmerzte es zwischen seinen Beinen, einige Male spürte er die Stöße bis hinauf in die Zunge. In seiner Verzweiflung bereitete er seine Verteidigungsrede vor, dass das Kind sich angeboten und verführerisch gelächelt habe. Und er war doch ein guter Mensch, wollte das jedenfalls sein, und hatte diese Lust nicht etwas überaus Verwirrendes? Er dachte an damals, als seine Mutter ihn überrascht hatte, als er im Bett saß, ohne Hose, und sich selbst liebkoste, fast zerstreut. Aber in der offenen Tür war etwas Unerklärliches geschehen. Die Mutter war in hysterische Wut ausgebrochen, ihre Stimme war total entstellt gewesen. Was treibst du denn da, was um alles in der Welt machst du da? Hast du denn überhaupt keinen Anstand, bist du nicht ganz richtig im Kopf?

Er versuchte, seine Tat in einen Zusammenhang zu ihrer Reaktion zu bringen, aber das gelang ihm nicht. Stattdessen lebte er mit seiner Lust, und wenn seine Hände in seine Hose wollten, fingen seine Wangen an zu glühen.



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