Vergelte! (German Edition) by Siegfried Langer

Vergelte! (German Edition) by Siegfried Langer

Autor:Siegfried Langer [Langer, Siegfried]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2015-03-11T00:00:00+00:00


21. Kapitel

Rückblende: Der Fall Jana Matuschek

Der rote Opel Astra fuhr, von der Potsdamer Straße kommend, die Kurfürstenstraße entlang, gemächlich, beinahe im Schritttempo. Sein Fahrer musterte die Frauen am Straßenrand. Die meisten von ihnen sahen ihm im Lichte der Straßenlaternen direkt ins Gesicht, blickten verführerisch, sprachen Worte, die der Fahrer nicht hören, aber dennoch verstehen konnte.

Für jeden Freier fand sich hier die Richtige.

Stand man mehr auf Rubensfiguren oder mehr auf Schlanke, mochte man blond, schwarz oder auch rot, oder bevorzugte man Lack- und Lederklamotten oder doch eher den Typ Hausfrau: In der Kurfürstenstraße waren sie alle zu finden.

Die Kleine auf Höhe des Möbelhauses an der Genthiner Straße gefiel dem Fahrer.

Klein, schmächtig, kräftig geschminkt. Ein knappes rosafarbenes Top, das gerade eben ihre Brüste bedeckte. Eine weiße Hose aus Leder, die diese Bezeichnung kaum verdiente, so knapp war sie geschnitten. Stiefel, die bis zu den Knien reichten, aus dem gleichen Material, in der gleichen Farbe.

Sie wirkte wie einundzwanzig und doch wurde ihm bei näherem Hinsehen klar, dass sie noch lange nicht volljährig war.

Selbst wenn er gewusst hätte, dass sie bisher nicht einmal ihren sechzehnten Geburtstag gefeiert hatte, es wäre ihm egal gewesen. Ganz im Gegenteil: je jünger, desto besser.

Er stieg auf die Bremse. Die Kleine näherte sich, und er beugte sich über den Beifahrersitz. Kaum hatte er das Fenster heruntergekurbelt, da streckte sie auch schon ihren Kopf herein.

»Na, Süßer, hast du Lust?«

Die Antwort stand ihm ins Gesicht geschrieben, und so sprach sie weiter.

»Blasen dreißig Mark, ficken achtzig.«

Ohne weitere Aufforderung öffnete sie die Wagentür und stieg ein. Sie lotste ihn hinüber zu der alten Villa am südlichen Ende der Kielganstraße, einer Sackgasse. Während der kurzen Fahrt schwiegen sie, und dem Mädchen kam es so vor, als würde der Freier den Weg bereits kennen.

Zielstrebig gingen sie zum Eingang, und das Mädchen wusste, dass hinter der Gardine im Erdgeschoss jemand stand, der sie beobachtete.

Er passte auf, dass nichts passierte, dafür gab sie ihm einen Teil ihres Verdienstes ab. Viel zu viel ihrer Meinung nach, doch sie hatte keine andere Wahl.

Der Straßenstrich war ihre einzige Einnahmequelle, seit ihr Vater sie hinausgeworfen hatte. Hinausgeworfen, weil sie seiner neuen Freundin im Weg gewesen war. Um die Ursache zu erkennen, war sie alt genug: Eifersucht.

Noch vor anderthalb Jahren war ihre Welt in Ordnung gewesen. Da hatte ihre Mutter noch gelebt. Von der Krebsdiagnose bis zum Tod waren lediglich drei Monate vergangen.

In der Villa herrschte ein einfaches System. Hinter jeder der Türen, die geöffnet waren, stand ein freies Zimmer zur Verfügung. Sie lief mit dem Freier an drei geschlossenen Türen vorbei, dann hatte sie Glück.

»Und?«, fragte sie, während sie auf dem Bett Platz nahm und ihn musterte. »Worauf stehst du?«

»Nimmst du Drogen?«

»Was?«

»Das kleine Heftpflaster in deiner Armbeuge.«

»Ach, das. Nein, nein, ich war heute bei der Blutspende«, log sie und ihr war sofort klar, dass der Mann sie durchschaute. Dennoch hakte er nicht nach. Es schien ihn nicht zu kümmern.

»Ich habe etwas ausgefallenere Fantasien«, druckste er herum.

Damit hatte sie bislang nicht sehr viele Erfahrungen. Aber sie wusste, dass alles, was nicht der Norm entsprach, auch einen höheren Preis wert war.



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