und der tanzende Derwisch by Dorothy Gilman
Autor:Dorothy Gilman [Gilman, Dorothy]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2012-03-04T13:26:27+00:00
11
Beide fröstelten in der Kälte des frühen Morgens, als sie ihre Fahrt nach Ouarzazate begannen. Max murmelte: »Wenn man bedenkt, daß es auf der anderen Seite des Gebirges ...« Er nahm eine Hand vom Lenkrad und deutete westwärts. »... am Meer warm und grün und fruchtbar ist und die Wellen des Atlantiks die gesamte Küste umspülen...«
»Hören Sie auf«, bat sie und drückte die Hände auf die Ohren. »Und in Marrakesch gibt es Palmen und eines der schönsten
Luxushotels der Welt, und ...«
»Tummelplatz der Reichen!« sagte Mrs. Pollifax abfällig. »Ja,
mit seinem riesigen Place Djemaa el Fna, wo es
Schlangenbeschwörer gibt und Feuerschlucker und Akrobaten
und...«
»Keine Bettler?« fragte sie skeptisch.
»Oh, massenhaft«, antwortete er vergnügt. »Taschendiebe
ebenfalls.«
Sie wollte nicht an Marrakesch denken. »Wie weit ist es bis
Ouarzazate?«
»Falls es Allah und dieser Laster gut mit uns meinen, dürften
wir gegen Mittag dort sein - inschallah.«
»Also bei Tageslicht.« Sie seufzte erleichtert. »Gut.« Sie
waren erst einige Kilometer aus Tinerhir heraus, als sie das
Scheinwerferpaar eines Lasters auf sich zukommen sahen, und
nach einer Kurve zählte Mrs. Pollifax die Lichter von fünf
weiteren Wagen in der Kolonne. Hastig machte sie Max darauf
aufmerksam. »Ja, ich sehe sie.« Seine Stimme klang ernst. »Es
ist zwar noch dunkel, aber achten Sie darauf, daß Ihr Gesicht gut
bedeckt ist.«
»Sie könnten unterwegs zum Markt sein«, meinte sie. »Sechs
hintereinander?«
Die Lastwagen kamen auf gleiche Höhe näher. Jeder wurde von den Lichtern seines Nachbarn beleuchtet, Größe sowie Farbe waren unverkennbar: Alle hatten das eckige dunkle Chassis und die eckige Planenbespannung von Militärfahrzeugen. Es war beunruhigend, aber sie sagte sich, daß sie Mrs. Pollifax und Max Janko in Tinerhir zurückgelassen hatten und nun zwei Berber in einem klapprigen, zusammengeflickten Volvo waren und Aisha und Bashir hießen.
Doch ein gutes Omen für diesen neuen Tag war es nicht. »Was meinen Sie?« fragte Max. »Manöver oder
Straßensperre?«
»Vorsichtshalber ist es besser, das Schlimmste anzunehmen,
nicht wahr?«
Bedrückt antwortete er: »Ja, vermutlich.«
Ihr fiel ein, daß er ja die ganze Nacht nicht zum Schlafen
gekommen war, sondern Omar geholfen hatte, seinen Wagen zu
beladen, und es schien ihr ein guter Augenblick, ihn abzulenken.
»Ich frage mich, wo Omar und Nadija jetzt sind - mit ihren
Teppichen und dem herrlichen Messingkohlebecken. Was wohl
aus Nadija werden wird? Welche Zukunft haben junge Mädchen
hier?«
»Keine besondere«, erwiderte Max. »Ich kann Ihnen in etwa
sagen, was sie vor sich hätte, wenn sie in Tinerhir geblieben
wäre.« Er zuckte mit den Schultern. »Sie würde in zwei oder
drei Jahren heiraten, sich den Mann aber nicht selbst aussuchen
können - das würden seine Eltern und ihr Vater arrangieren. Und
wahrscheinlich würde er keine sehr gute Partie sein, weil Omar
ein baranis, ein Außenseiter, ist. Bedauerlicherweise lebt ein
Mädchen fast immer bei der Familie ihres Mannes, wodurch es,
aufgrund der Stellung der Frauen hier, zu Eifersüchteleien und
Rivalität kommt, was dazu führt, daß die Hälfte der Ehen in
diesem Land geschieden werden.«
»Die Hälfte?« rief Mrs. Pollifax erstaunt. Max nickte. »Das
ergeben jedenfalls meine Statistiken. Aber ihre Zukunft dürfte
bei den Polisarios in der Wüste viel rosiger aussehen, denn dort hat sich Erstaunliches getan, wenn man bedenkt, daß auch sie Moslems sind. Da die Männer im Kampfeinsatz von zu Hause fort sind, haben die Frauen dort alles im Griff - es
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