Tunnelspiel (German Edition) by Carla Berling

Autor:Carla Berling [Berling, Carla]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2015-04-13T16:00:00+00:00

Montag, 23. Juni, 9:00

Pünktlich um zehn betrat Ira die Redaktion von Tag 7 in Bielefeld. Montags war die große Konferenz, zu der alle Mitarbeiter sich in Horstmanns Büro zu versammeln hatten. Der Redaktionsleiter fragte nach neuen Fakten im Fall »Schlachthofmord«, aber Ira konnte nichts berichten. Die Polizei hatte den Täter auch am zehnten Tag nach dem Mord noch nicht gefunden, es gab keine neuen Erkenntnisse, jedenfalls keine offiziellen, die sie veröffentlichen konnten. Ira fasste zusammen, was sie bisher herausgefunden hatte: »Lorenz Brenner war einer der unbeliebtesten Menschen, die mir je untergekommen sind. Seine Angestellten hat er nicht bezahlt, seine Autoren hat er beschissen, bei diversen Gläubigern hat er offene Rechnungen hinterlassen. Er hat Geld veruntreut, aber niemand hat ihn deswegen angezeigt. Eigentlich hatte jeder, der mit ihm zu tun hatte, einen Grund, um ihn aus dem Weg zu schaffen. Aber die Todesart ist so speziell, dass ich sie keinem der Menschen zutraue, mit denen ich schon gesprochen habe. Ich habe wirklich keinen Schimmer, wer das getan haben könnte.«

»Warum haben Sie eigentlich noch nicht mit den Eltern geredet? Sie wissen, dass Brenners Vater dieser Ex-Springreiter ist und dass die Mutter den Nachtigallenball organisiert? Das sind prominente Leute, da müssen Sie hin Wittekind. Mit Ihren falschen Skrupeln in Punkto Pietät machen wir bestimmt keine Auflage.«

Ira protestierte: »Immerhin ist der Sohn ermordet worden und noch nicht mal unter der Erde, ich möchte die Eltern in dieser Situation nicht um ein Interview bitten!«

Horstmann sah sie ausdruckslos an und wiederholte: »Ihnen wird schon was einfallen. Zeitnah.«

Ira verdrehte die Augen und tat so, als würde sie sich etwas notieren. Horstmann hatte recht, eigentlich hätte sie sich längst um die Eltern kümmern müssen, um mehr über Lorenz Brenner zu erfahren. Verdammt, dachte sie, ich mag das nicht, eine Mutter und einen Vater zu ihrem ermordeten Sohn befragen.

Plötzlich hatte sie eine Idee.

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