Totenschleuse by Dietmar Lykk

Totenschleuse by Dietmar Lykk

Autor:Dietmar Lykk [Lykk, Dietmar]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-02-03T00:00:00+00:00


17.

Auf der Rückfahrt nach Kiel hatte Malbek kurz entschlossen die B76 verlassen und war der Ausfahrt nach Schleswig und dort dem Wegweiser »Fachkliniken« gefolgt.

Der Stationsarzt im vierzehnten Stockwerk der Psychiatrie hatte Malbek in sein Zimmer gebeten und vorsichtig seine Fragen beantwortet. Ja, Dörte Schneider habe über Markus’ Tod gesprochen. Und sie habe nur einmal Besuch gehabt. Von einer Freundin. Verwandte seien bisher nicht da gewesen. Und da Malbek sich mit ihr unterhalten wolle, gehe er davon aus, dass man den Mörder ihres Freundes noch nicht gefunden habe. Medikamente bekomme sie keine. Sie sei jetzt in therapeutischer Behandlung.

Da Malbek mit ihr allein reden wollte, schlug der Arzt vor, dass sie einen kleinen Spaziergang im Park machen könnten. Da sei man ungestört. Im Aufenthaltsraum der Station sei es manchmal etwas unruhig. Er hatte gelächelt und Malbek aufmunternd zugenickt. Er würde ihr jetzt Bescheid sagen, dass Kommissar Malbek aus Kiel mit ihr sprechen wollte. Es würde einen Moment dauern.

Malbek sah aus einem Fenster im Flur auf seine Heimatstadt Schleswig. Im Nordosten reckte sich der Dom über die Stadt. Den Hort des Glaubens an die Ewigkeit hatte sein Vater, der Dompastor, ihn umständlich genannt. Im Südwesten steckte der Wikingturm seit Jahrzehnten als Symbol des ewig wachsenden Fortschritts im unergründlichen Morast der Schlei. Verschämt versteckt und doch diese Wahrzeichen der Stadt dank der Lage am ehemaligen Mühlenberg überragend, war das Hochhaus der psychiatrischen Klinik, der Ort, der Menschen gewidmet war, deren Psyche an den Widersprüchen von Glauben und Fortschritt erkrankt war. So hatte es Malbek immer gesehen.

Sein Vater hatte die Sichtweise seines Sohnes nicht geteilt. Der Glaube an Gott sei nicht widersprüchlich, und wer nicht glaube, der müsse früher oder später an Geist und Seele erkranken. Die Patienten dort oben am Mühlenberg hatte sein Vater »arme Seelen« genannt, so, als wären sie verloren und dem Teufel verfallen. Wahrscheinlich war der ewige Streit mit seinem Vater der Grund für seine Berufswahl gewesen. Polizisten besitzen einen klaren Verstand und kommen nicht in die Hölle, daran hatte Malbek als junger Mann tatsächlich geglaubt. Malbek seufzte. Nicht einmal diese Illusion war ihm geblieben.

Vehrs und Harder hatten Dörte Schneiders Verwandtschaft ausfindig gemacht. Die Eltern waren geschieden, und die ältere Schwester war verheiratet und hatte zwei schulpflichtige Kinder. Sie wohnten in Neumünster und Norderstedt und schienen keinen Kontakt miteinander zu haben. Keiner von ihnen war überrascht, als ihnen mitgeteilt wurde, dass Dörte in der Fachklinik in Schleswig stationär behandelt würde. Jeder von ihnen erklärte, Dörte besuchen zu wollen.

Malbek hörte eine Tür und Schritte. Dörte Schneider kam über den Flur auf ihn zu, der Arzt blieb abwartend zurück. Sie war ungeschminkt, die Haare gewaschen, ihr Blick war ruhiger geworden. Sie trug einen weißen Anorak und weiße Leggings. Wer nicht so genau hinsah, würde sie für jemanden vom Pflegepersonal halten. Sie gaben sich verlegen die Hand und gingen zum Fahrstuhl.

Sie drückte die Taste zum Erdgeschoss. Als der Fahrstuhl sich mit einem leisen Ruck nach unten in Bewegung setzte, lehnte sie sich an die Kabinenwand, presste die Handflächen dagegen.

»Ich muss in dieser Kiste reden, sonst krieg ich die Panik.



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