Totenpech by Tanja Pleva
Autor:Tanja Pleva [Pleva, Tanja]
Die sprache: de
Format: mobi
ISBN: 9783492952323
Herausgeber: Piper Verlag
veröffentlicht: 2011-10-29T09:21:19+00:00
45. KAPITEL
Das kleine Mädchen saà auf dem groÃen grauen Steintisch und nahm den frischen Geruch in sich auf, der von ihrer Mutter ausging. Sie genoss den Augenblick, wenn sie die ganze Aufmerksamkeit ihrer Mutter hatte, die gerade summend die Leinentücher abwickelte, die sie fest um den Kopf trug und die ihr unsagbare Schmerzen bereiteten. Mit jeder abgelösten Schicht lieà der Druck auf den Kopf nach. Aber sie wusste auch, dass dieses angenehme Gefühl nicht von Dauer sein würde. Wie oft hatte sie geweint und sie gebeten, damit aufzuhören, aber ihre Mutter hatte unerbittlich weitergemacht und jedes Mal die Bandagen fester um den Kopf gezogen. Sie wollte sie nicht verärgern, denn ihre Mutter konnte sehr böse werden. Das hatte sie mit eigenen Augen gesehen. Als nämlich eines ihrer neuen Geschwister nicht aufgehört hatte zu weinen, hatte sie es grob aus dem Zimmer gezogen. Eine Weile hatte sie das Weinen noch gehört, dann war es verstummt, und ihr neuer Bruder war nie wieder zurückgekommen. Ihre Mutter hatte ihr später erklärt, dass er jetzt mit den Göttern spielt und neue Geschwister hat. Sie wusste zwar nicht, was Götter sind, aber sie waren bestimmt nett zu ihm.
»Nun, dann wollen wir mal sehen, wie sich meine kleine Prinzessin hier macht.« Ein Lächeln huschte über das sonst so ernste Gesicht ihrer Mutter, als sie den kleinen Kopf von allen Seiten betrachtete. »Du wirst ein richtiges Prachtstück werden. Nein, du bist es schon. Und zur Belohnung gibt es das hier.«
Sie holte aus der Tasche ihres weiÃen Kittels einen ganzen Schokoladenriegel und gab ihn ihr. Das kleine Mädchen riss hastig das Papier ab und stopfte sich gierig die Schokolade in den Mund. Wie schön es doch war, wenn ihre Mutter glücklich war, was nur allzu selten vorkam. Denn dann würde sie vielleicht öfter etwas von diesen Leckereien bekommen. Ihre Mutter lächelte sie an und gab ihr ein Zeichen, sich hinzulegen. Die Steinplatte war kalt, und das grelle Licht über ihr blendete sie, sodass sie die Augen schloss. Sie wollte sich nicht beklagen, wollte das Glück nicht zerstören. Dann spürte sie einen kleinen Stich im Arm, und das Letzte, was sie hörte, war das fröhliche Summen ihrer Mutter.
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