Tote Hose: Ein Kriminalroman vom Starnberger See (German Edition) by Ray Müller

Tote Hose: Ein Kriminalroman vom Starnberger See (German Edition) by Ray Müller

Autor:Ray Müller [Müller, Ray]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Langen-Müller
veröffentlicht: 2015-02-22T16:00:00+00:00


Kapitel 22

Am nächsten Morgen, als er die Augen aufschlug und sich bewegte, spürte er alle Muskeln seines Körpers. Auch die, von deren Existenz er bisher nichts gewusst hatte. Ein gutes Gefühl. Er duschte, rasierte sich aber nicht. Das Projekt »Safari-Bart« sollte seine Chance bekommen. Dafür trug er unterm Kinn etwas Rasierwasser auf. Parfum hatte er nicht. Nach längerer Überlegung zog er eine dunkle Armani-Jeans an, einen schwarzen Rollkragenpullover und die italienische Lederjacke, die er sich geleistet hatte, als er mit seiner Tochter unterwegs gewesen war. Dann suchte er nach der San-Francisco-Mütze, fand sie aber nicht. Schließlich entdeckte er sie in der Waschmaschine. Zwar hatte er keine Ahnung, wie sie dort hinkam, doch aus Erfahrung wusste er, dass es keinen Sinn hatte, darüber nachzudenken.

Das Wetter war besser geworden, er würde keinen Mantel brauchen.

Auf dem Weg zur U-Bahn ging er am Brillenladen vorbei, der schon geöffnet war. Marianne hatte heute frei. Dafür bediente ihn junger Mann mit einem Ring im Ohr. Die Brille saß gut, doch sein Gesicht erschien ihm mit diesem eckigen Gestell auf der Nase so anders, dass er sich fremd vorkam. Nur die getönten Gläser, die er sich hatte einreden lassen, sahen tatsächlich cool aus. Ob sie im Büro Sinn machten, war eine andere Sache.

Die U-Bahn kam sofort. Er stieg ein. Neben ihm standen Studenten, die sich über eine Klausur unterhielten. Hinter diesen lümmelten sich ein paar Schüler auf den Bänken. Zwei alte Frauen saßen steif da und hielten ihre Taschen fest, als fürchteten sie, jemand könnte sie ihnen wegnehmen. Die meisten der Jugendlichen hatten den Knopf eines Mobiltelefons im Ohr und hörten Musik. Zwei tippten Nachrichten in ihr Telefon, einer packte einen Hamburger aus und biss hinein. Im Eck saß ein Penner mit einer Bierflasche. Das alles registrierte der Kommissar mit heiterer Gelassenheit. Er war erleichtert, nicht nur von schönen Menschen umgeben zu sein wie am Abend zuvor.

Nachdem ihn die Rolltreppe am Marienplatz ins Freie geschoben hatte, sah er hoch zum Himmel. Es würde nicht regnen. Außerdem war es wärmer geworden.

Im Präsidium nahm der Kommissar nicht den Lift, sondern lief die Treppe hoch. Wären auch hier an den Wänden Spiegel gewesen, er hätte den federnden Gang geübt. Zugleich wunderte er sich, warum er so guter Laune war. Das konnten nicht nur die Nachwirkungen des Trainings sein. Er blieb stehen und überlegte einen Augenblick.

Sein Instinkt sagte ihm, dass heute ein guter Tag war. Irgendetwas würde passieren. Er wusste nicht, was, aber er ahnte, dass er in seinen Ermittlungen diesmal einen entscheidenden Schritt vorankommen würde.

Herbert war schon im Büro, er telefonierte die Liste durch. Als der Kommissar ins Zimmer kam, legte er auf.

»Nur noch sieben«, sagte er und strich eine der vor ihm liegenden Telefonnummern aus.

»Frauen?«

Herbert nickte.

»Und?«

»Alle liebten ihn.«

Der Kommissar setzte sich und nahm die Mütze ab.

»Eine muss ihn nicht geliebt haben.«

»Die, mit denen ich bisher gesprochen habe, sind alle entsetzt über das, was passiert ist. Einige haben beim Reden geweint.«

»Kann man simulieren«, sagte der Kommissar und wartete, dass sein Kollege etwas über die neue Brille sagte. Herbert sagte nichts.

Draußen ertönte die Sirene eines Krankenwagens.



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