Todesnacht: Island-Thriller (German Edition) by Ragnar Jónasson

Todesnacht: Island-Thriller (German Edition) by Ragnar Jónasson

Autor:Ragnar Jónasson [Jónasson, Ragnar]
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
ISBN: 9783104024363
Herausgeber: Fischer E-Books
veröffentlicht: 2013-10-16T22:00:00+00:00


Natan wartete im Auto, während Ari bei dem Witwer anklopfte. Er wohnte auf einem alten Bauernhof am Rande der Stadt, in einem heruntergekommenen Wellblechhaus. Dort hatte es früher bestimmt eine blühende Landwirtschaft gegeben, aber davon war nichts mehr übrig. Noch nicht einmal ein Hund, der die ungebetenen Gäste begrüßte.

Ari erklärte kurz sein Anliegen und merkte schnell, dass der alte Mann – er musste fast achtzig sein – nicht abgeneigt war, über den Arzt zu sprechen, und zwar schlecht.

Sie saßen in der Abendsonne unter dem Dachfirst auf einer alten, blauen Bank, die genauso abgenutzt war wie das ganze Haus. Das hohe Gras rund ums Haus schien schon seit Ewigkeiten nicht mehr gemäht worden zu sein; das Haus, die Ländereien, die Bank – an allem hatte der Zahn der Zeit genagt, nicht zuletzt an dem alten Mann selbst. Er betrachtete das Gras, während er redete, schaute Ari nie in die Augen.

»Sie glauben also, dass der Mörder den falschen Mann erwischt hat? Dass er eigentlich dieses Schwein von Arzt umlegen wollte?«, fragte er Ari mit belegter Stimme.

»Vielleicht. Ich weiß es natürlich nicht genau.«

»Das wird ihm nie vergeben«, sagte der Alte nachdrücklich. »Und das sage ich als gottesfürchtiger Mann. Er hat betrunken gearbeitet. Ich vermisse meine Frau jeden Tag. Besonders an sonnigen Tagen wie heute. Wissen Sie, eigentlich war sie meine Sonne«, sagte er mit leiser Stimme. Er hatte keine Eile.

»Hatten Sie nach der Sache noch Kontakt zu diesem … Ríkharður?«, fragte Ari.

»Nein, das wollte ich nicht«, antwortete der alte Mann niedergedrückt. »Er wurde verurteilt, uns eine Entschädigung zu zahlen.« Er seufzte. »Was soll ich denn mit einer Entschädigung?«

Ari musste zugeben, dass es schwer vorstellbar war, dass dieser bedächtige Mann einen Mord begangen hatte – geschweige denn einen so brutalen Mord.

»Wissen Sie, ob er jemals bedroht wurde?«

»Nein, mein Freund, ich habe keine Ahnung. Dabei habe ich ihm selber im Geiste Rache geschworen. Habe meiner Phantasie freien Lauf gelassen, mir Dinge vorgestellt, von denen ich dachte, ich würde sie im Nachhinein bereuen, aber nichts da. Meine Frau hatte etwas Besseres verdient. Sie war immer so herzlich und gut, still und nachdenklich, viel intelligenter als ich. Sie war die Philosophin in der Familie, hatte den Sinn des Lebens gefunden. Glaubte sie zumindest. Ihre Theorie war, dass es auf diese Frage keine allgemeingültige Antwort gibt, mein Freund. Wir müssen alle, jeder für sich, den Sinn finden. Herausfinden, was uns glücklich macht. Gott sei Dank. Wenn alle Kinder Gottes nur ein Ziel hätten, würden ja alle dasselbe tun. Das wäre doch eine recht eintönige Welt, nicht wahr?« Der Mann betrachtete immer noch das Gras, schien aber froh zu sein, über seine verstorbene Frau reden zu können.

»Ich muss jetzt wieder los«, sagte Ari schließlich und stand auf. Er wusste genau, was – oder vielmehr wer – ihn glücklich machen würde. Aber er hatte seine Chance verspielt. Er bekam Kristín nicht mehr aus dem Kopf. Er hatte immer gehofft, dass sie wieder zusammenkämen, aber jetzt fürchtete er, dass es endgültig aus und vorbei war, dass er verloren hatte. »Danke für das Gespräch.



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