Tod und Schinken by Uwe Voehl
Autor:Uwe Voehl
Die sprache: deu
Format: azw3, epub, mobi
ISBN: 9783838719337
Herausgeber: Bastei Luebbe
veröffentlicht: 2012-12-12T23:00:00+00:00
13.
Nachdem wir die Hauptspeise gegessen hatten, erkundigte sich der Kellner nach unseren weiteren Wünschen. Zu meinem Leidwesen bestellte Hermine noch einen Cappuccino. Mein Instinkt sagte mir, dass wir hier schleunigst verschwinden sollten.
Die Zeit dehnte sich wie Kaugummi, während wir auf den Cappuccino warteten. Ich schaute zu Ackergoldt. Er telefonierte mit seinem Handy. Schwekendiek begutachtete gelangweilt seine manikürten Fingernägel.
Ich fragte mich, ob die beiden höchstpersönlich handgreiflich wurden, wenn sich ihnen jemand in den Weg stellte. Oder ob sie dafür ihre Schlägertrupps hatten.
Der Cappuccino ließ noch immer auf sich warten. Das Bier drückte auf meine Blase. Ich entschuldigte mich und ging zur Toilette. Dabei kam ich sehr nah am Tisch der beiden vorbei. Ackergoldt nickte mir zu. Ich nickte zurück.
Eine steile Treppe führte hinunter zu den Toiletten. Hier erinnerte nichts mehr an Sterneküche. Wahrscheinlich hatte der Inhaber hier bewusst alles so authentisch gelassen, wie er die ehemalige Kneipe übernommen hatte. Die Wände waren braun gestrichen, der Toilettenraum selbst war weiß gefliest. Eine der Neonleuchten flackerte. Ich fragte mich, ob das nicht zu weit ging – von wegen Authentizität. Dann kam mir der Gedanke, dass sie wahrscheinlich wirklich defekt war.
Eine der Kabinen war besetzt. Irgendwie war ich froh, dass ich hier unten nicht allein war.
Nachdem ich mich erleichtert hatte, ging ich zu einem der Waschbecken und hielt die Hände unter das kalte Wasser, das nur als Rinnsal aus dem Hahn tröpfelte.
Als ich in den Spiegel schaute, war ich selbst erstaunt, dass ich noch halbwegs aussah wie ein Mensch.
Allmählich machte sich der morgendliche Waldlauf als Muskelkater bemerkbar. Vor allem in den Armen. Mein Knie pochte. Ich fühlte mich, als wäre ich kilometerweit durch den Teutoburger Wald gerobbt.
Als ich die Hände unter den weißen Heißlufttrockner an der Wand hielt und dieser nach zwei Sekunden knatternd den Geist aufgab, glaubte ich mich wirklich in die Vergangenheit versetzt.
Doch dann wurde ich von einem Moment zum anderen in die Wirklichkeit gerissen. Die Tür öffnete sich, und die massige Gestalt Ackergoldts schob sich herein. Einen Augenblick lang fürchtete ich, er würde im Türrahmen stehen bleiben und mir den Ausgang versperren.
Aber er ging an mir vorbei.
Der Duft, den er dabei hinterließ, warf mich fast um. Hermine hatte nicht übertrieben. Wieder roch ich die Zitronenaromen. Nach dem Rosmarinduft schnupperte ich vergeblich. Dafür glaubte ich Lavendel zu riechen. Dennoch hätte ich wetten können, dass sich Schwekendiek und Ackergoldt aus der gleichen Flasche bedienten – der eine weniger, der andere dafür umso mehr.
Ackergoldt stand vor einem der Urinale und knöpfte sich die Hose auf.
Ich sah nicht hin, hatte aber umgekehrt das Gefühl, dass er mich die ganze Zeit beobachtete.
»Sie kommen mir irgendwie bekannt vor«, sagte er. Seine Stimme klang genauso, wie ich sie mir vorgestellt hatte: tief und grollend. Wie die eines Riesen. Oder eines Wagner-Tenors. Ich konnte mir gut vorstellen, wie er sich allein dank dieser Stimme Respekt verschafft und sich nach oben gekämpft hatte. Ich versuchte dagegenzusteuern, indem ich erwiderte: »Sie mir nicht.«
»Doch, ich kenne Sie von irgendwoher«, beharrte er. »Wie heißen Sie?«
Die Frage war ein Befehl. Ich entschloss mich, diesem nur halb zu folgen.
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