thoma,_ludwig_-_lausbubengeschichten by Unknown

thoma,_ludwig_-_lausbubengeschichten by Unknown

Autor:Unknown
Format: epub, mobi


„Er hat aber doch den ganzen Bart voll lauter Eierdotter“, sagte ich.

„Er ist ein sehr braver und gescheiter Mann, der noch eine große Laufbahn hat. Und er war sehr nett zu Mariechen. Und er hat ihr auch gesagt, wie viel Sorgen du ihm machst. Und jetzt bist du ruhig!“

Ich sagte nichts mehr, aber ich dachte, was der Bindinger für ein Kerl ist, daß er mich bei meiner Schwester verschuftet. Am Nachmittag hat er mich aufgerufen; ich habe aber den

Nepos nicht präpariert gehabt und konnte nicht übersetzen. „Warum bist du schon wieder unvorbereitet, Bursche?“

fragte er.

Ich wußte zuerst keine Ausrede und sagte: „Entschuldigen, Herr Professor, ich habe nicht gekonnt.“

„Was hast du nicht gekonnt?“

„Ich habe keinen Nepos nicht präparieren gekonnt, weil meine Schwester auf dem Ball war.“

„Das ist doch der Gipfel der Unverfrorenheit, mit einer so törichten Entschuldigung zu kommen“, sagte er, aber ich hatte mich schon auf etwas besonnen und sagte, daß ich so Kopfweh gehabt habe, weil die Näherin so lange nicht gekommen war, und weil ich sie holen mußte und auf der Stiege ausrutschte und mit dem Kopf aufschlug und furcht-bare Schmerzen hatte.

Ich dachte mir, wenn er es nicht glaubt, ist es mir auch wurscht, weil er es nicht beweisen kann.

Er schimpfte mich aber nicht und ließ mich gehen. Einen Tag danach, wie ich aus der Klasse kam, saß die

Marie auf dem Kanapee im Wohnzimmer und heulte furcht-bar. Und meine Mutter hielt ihr den Kopf und sagte: „Das wird schon, Mariechen. Sei ruhig, Kindchen!“

„Nein, es wird niemals, ganz gewiß nicht, der Lausbub tut es mit Fleiß, daß ich unglücklich werde.“

„Was hat sie denn schon wieder für eine Heulerei?“ fragte ich. Da wurde meine Mutter so zornig, wie ich sie gar nie gesehen habe.

„Du sollst noch fragen!“ sagte sie. „Du kannst es nicht vor Gott verantworten, was du deiner Schwester tust, und nicht genug, daß du faul bist, redest du dich auf das arme Mädchen aus und sagst, du wärst über die Stiege gefallen, weil du für sie zur Näherin mußtest. Was soll der gute Professor Bindin-ger von uns denken?“

„Er wird meinen, daß wir ihn bloß ausnützen! Er wird mei-nen, daß wir alle lügen, er wird glauben, ich bin auch so!“ schrie Marie und drückte wieder ihr nasses Tuch auf die Augen.

Ich ging gleich hinaus, weil ich schon wußte, daß sie noch ärger tut, wenn ich dabei blieb, und ich kriegte das Essen auf mein Zimmer.

Das war an einem Freitag; und am Sonntag kam auf ein-mal meine Mutter zu mir herein und lachte so freundlich und sagte, ich soll in das Wohnzimmer kommen.

Da stand der Herr Professor Bindinger, und Marie hatte den Kopf bei ihm angelehnt, und er schielte furchtbar. Meine Mutter führte mich bei der Hand und sagte: „Ludwig, unsere Marie wird jetzt deine Frau Professor“, und dann nahm sie ihr Taschentuch heraus und weinte. Und Marie weinte. Der Bindinger ging zu mir und legte seine Hand auf meinen Kopf und sagte: „Wir wollen ein nützliches Glied der Gesellschaft aus ihm machen.“

Die Vermählung

Ich muß noch die Hochzeit von meiner Schwester mit dem Professor Bindinger erzählen.



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