Staub im Wasser by Solèr Ernst

Autor:Solèr, Ernst [Solèr, Ernst]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Krimi/Thriller
Herausgeber: Grafit
veröffentlicht: 2014-04-18T22:00:00+00:00

Als er draußen ist, öffne ich das Fenster, zünde mir eine Muratti an und betrachte nochmals die Website der Whiskyhandlung. Forste unsere Dateien nach Grolimund durch. Das Telefonbuch. Das Verwaltungsratsverzeichnis. Die schweizerische Mediendatenbank.

Grolimund hat einen Partner, Robert Fisch, und die beiden fungieren als Verwaltungsräte von Firmen mit hochtrabenden Namen wie Nettoinvest, New Supertec, Premiumtec Portfolio oder Performance Value. In der Wirtschaftszeitung CASH findet sich ein Artikel aus dem Vorjahr, der Böses über die Geschäftspraktiken von Grolimund und Fisch schreibt. Auch in einem internen Papier der Zuger Kollegen ist von ihnen die Rede, und zwar im Zusammenhang mit der Anlage von Schwarzgeld. Die Namen Eduard Lüthy und Gustav Graf leuchten aus dem Bericht hervor wie Supernovas aus einem schwarzen Loch, ihr Treuhandbüro ist die Revisionsstelle der Gesellschaften von Grolimund und Fisch.

Warum nur hat niemand angerufen aus Zug? Wegen unseres elenden Föderalismus, gebe ich mir selbst die Antwort. Jeder Schweizer Kanton hat seine eigene Kantonspolizei. Und wenn ich ehrlich sein soll: Außer der Zürcher, Basler, Genfer und allenfalls noch der Berner Kapo sind das alles Dorfvereine, die bei komplexeren Fällen heillos überfordert sind. Wir Zürcher senden den ganzen Tag Leute in die Provinz aus, Sprengstoffspezialisten, Urkundenforscher, Hundestaffeln oder die schwer bewaffnete Einsatztruppe Diamant, weil die Kollegen im restlichen Teil der Schweiz mit ihrem Latein wieder einmal am Ende sind. Nicht dass diese Leute Pfeifen wären. Aber die Kriminalpolizei des Kantons Appenzell Innerrhoden beispielsweise besteht nun mal nur aus ungefähr vier Leuten und zwei Fahrzeugen. Das reicht, um entflohene Kanarienvögel einzufangen, vielleicht sogar, um einen tumben Totschlag in einer Bauernschenke aufzuklären. Aber zu viel mehr halt nicht.

Überdies setzt jede Kapo ihre Prioritäten anders. Während man im Aargau nach wie vor blindwütig Hasch rauchenden Jugendlichen hinterherjagt, konzentriert man sich in Graubünden darauf, Leute zu stellen, die außerhalb der offiziellen Jagdzeit Steinböcke niederballern. Als ob das für die Steinböcke von Belang wäre!

Natürlich sitzt man ab und an zusammen und informiert sich gegenseitig. Der Sitzungsgott hat große Freude am Föderalismus. Millionen von Arbeitsstunden vergehen mit Koordinationsversuchen und dem Faxen von allerlei Papieren. Wir haben bei uns extra eine Frau eingestellt, die das Wichtigste aus allen Kantonen herausdestilliert und täglich per Mail an uns weiterleitet. Ich lese diese Zusammenfassungen selten bis nie, muss ich zugeben.

Ich rufe Michael in Kilchberg an und bitte ihn, nach Verbindungen zu Grolimund zu suchen. Dann melde ich mich bei der Kantonspolizei in Zug und verlange der Einfachheit halber gleich direkt den Kommandanten. Der weilt aber inzwischen auf einer Tagung, vermutlich um irgendetwas zu koordinieren. Auf der Vermisstenstelle hat man den Namen Grolimund schon mal gehört, der Zuständige ist aber nicht da. Man verbindet mich falsch in die Abteilung für Schifffahrtskontrolle, weiter zur Sitte und zurück zur Vermisstenstelle.

Endlich habe ich einen Mann am Apparat, der weiß, wovon ich spreche. Er heißt Baumgartner.

»Grolimund wurde am Samstag vor drei Wochen zum letzten Mal gesehen. Vor seinem Ferienhaus in Ascona. Seither fehlt von ihm jede Spur«, berichtet er.

»Und?«, frage ich. »Habt ihr irgendwas unternommen?«

»Wir haben uns überlegt, ob wir demnächst sein Haus hier in Zug durchsuchen sollen.

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