Starke Frauen by Dana Horáková

Starke Frauen by Dana Horáková

Autor:Dana Horáková [Horáková, Dana]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
ISBN: 3869950161
Herausgeber: Bastei Lübbe
veröffentlicht: 2011-09-15T22:00:00+00:00


Die Braut in Weiß trug keinen Schleier: »Mit Schleier käme ich mir vor wie ein Opfertier«, hieß es. Sie wollte keine kirchliche, nur eine Ziviltrauung am Münchner Rathaus am Marienplatz. Die Hochzeitsnacht fiel auch aus: »... ein sonderbarer und sinnverwirrender Vorgang«, notiert der Bräutigam. Tags darauf, am 12. Februar 1905, tritt das Paar seine Hochzeitsreise an. Kaum im Züricher Luxushotel »Baur au Lac« angekommen, denkt der Ehemann, einen Spezialisten für Nervenleiden konsultieren zu müssen.

Die Mutter der Braut ist jedenfalls überzeugt, dass die Tochter »zum Glücklichsein an der Seite eines Mannes kein Talent hat«. Schon als Vierjährige tauscht sie ihr Weihnachtsgeschenk, ein Puppenservice, gegen die Spielzeugpistolen eines ihrer vier Brüder ein. Sie nimmt auch an allen Streichen teil; wissend, dass dies die volle Zustimmung ihrer Großmutter Hedwig Dohm findet, einer bekannten Feministin, die in aller Öffentlichkeit fragt: »Ich soll ein echtes, ein wahres Weib sein! Was ist denn das: ein wahres Weib? Muss ich, um ein wahres Weib zu sein, bügeln, nähen, kochen und kleine Kinder waschen?«

Katias Vater, der Mathematikprofessor Alfred Pringsheim, zählt zu den reichsten Männern Münchens: Sein Stadtpalais hat 1500 Quadratmeter Wohn- und Nutzfläche, die Diener tragen Livree. Franz von Lenbach porträtiert die zwölfjährige Tochter, der bayerische Prinz Luitpold kommt zum Plausch, Richard Strauss darf am Klavier improvisieren. Aber: Papas Prinzessin bleibt nicht verborgen, dass ihr Vater ein notorischer Schürzenjäger ist, der keinerlei Probleme damit hat, seine Geliebte in seinem Haus coram publico zu empfangen: »So Männer haben’s gut, die dürfen ja immer«, stellt die Mutter (»eine berühmt schöne Frau«) unaufgeregt fest. Und Katia lernt: Alles, was kommt, wird hingenommen, man arrangiert sich.

Andererseits hält sie schon mit fünf Jahren die Männer für ein unkalkulierbares Risiko, »denn ... ein Mann ist sehr brav, und wenn man geheiratet ist, dann merkt man, er ist sehr bös, da ist’s doch besser, man heiratet sich erst gar nicht: Ich bleib bei meinem Mutterl.« Aber sie entscheidet sich erst einmal für eine akademische Laufbahn und studiert u. a. Experimentalphysik bei Wilhelm Röntgen, dem Entdecker der »Röntgenstrahlen«. Die zahlreichen Liebeswerber (»alle recht jung und unbedeutend«) werden ignoriert. Vom Vater verwöhnt, von den Brüdern vergöttert, von der Mutter wie eine Freundin behandelt – wer bietet mehr? »Ich wusste eigentlich nicht, warum ich nun schon so schnell weg sollte.«

Als Thomas Mann Katia in einer Straßenbahn kennenlernt – sie hat keinen Fahrschein, wird von einem Kontrolleur erwischt, beschimpft ihn und haut ab –, hat er zwar schon Buddenbrooks veröffentlicht, aber der Verkauf läuft schleppend. Die Saga einer Lübecker Patrizierfamilie ist stark autobiografisch und von seinem Dauerthema geprägt: dem Widerspruch zwischen Moral und Sinnlichkeit, zwischen Bürger- und Künstlertum.



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