Sieben Stunden im April by Susanne Preusker

Sieben Stunden im April by Susanne Preusker

Autor:Susanne Preusker
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Patmos
veröffentlicht: 2011-01-23T05:00:00+00:00


Dr. Lange macht müde

Es hat durchaus etwas für sich, einen befreundeten Psychiater oder eine befreundete Psychiaterin aufzusuchen, sich in einen Ledersessel zu schmeißen und über Patienten abzulästern. Das machen Psychiater genauso wie Psychologen, Hautärzte, Urologen und Allgemeinmediziner. Und Gynäkologen auch. Wahrscheinlich die ganz besonders. Und wer etwas anderes behauptet, lügt. Wie gesagt: Ledersessel, Tasse Kaffee in der Hand und dann erzählen: Patienten, Kollegen, Reisepläne oder was sonst so anliegt. Das habe ich oft gemacht, weil ich viele Psychiater kenne: Juliane, zwei Kläuse, Robert, Michael, Petra und wie sie alle heißen. Und es war eigentlich immer nett. Und um an dieser Stelle gleich mit dem alten Vorurteil aufzuräumen, Psychiater und Psychologen seien doch alle selber verrückt: Das ist kein Vorurteil. Das stimmt.

Eine ganz andere Sache als ein Plausch unter Kollegen auf dem Sofa ist es aber, bei einem völlig fremden Facharzt für Psychiatrie, Neurologie und Psychotherapie erst im Warte-, dann im Sprechzimmer zu sitzen. Vorab das unvermeidliche Telefonat mit der Arzthelferin. Oder wie heißen die Damen heute? Haben die jetzt auch eine dieser entsetzlichen englischen Berufsbezeichnungen, unter denen sich niemand etwas vorzustellen vermag? Termin. Ja, bitte. Uhrzeit egal. Nein, nicht erst in drei Monaten, wenn möglich. Ja, der Fall ist eilig. Nein, in sechs Wochen ist auch zu spät. Na ja, wie soll ich das erklären? Depressionen vielleicht. Oder Ängste. Verschiedene Ängste. Nein, ich möchte nicht zu einer Vertretung. Ich sagte doch schon: sechs Wochen sind zu lange. Wirklich. Ja, also … Bitte. Hm … Also gut, wenn es anders nicht geht: Ich bin in einem Gefängnis als Geisel genommen und mehrere Stunden vergewaltigt worden und es geht mir richtig, richtig beschissen. Okay?

In drei Tagen. 9.00 Uhr. Danke.

Wartezimmer. Ich bin verrückt. Ich muss verrückt sein. Nur Verrückte gehen zum Psychiater. Stell dich nicht so an – wie oft hast du selber Leute dahin geschickt und Ihnen erklärt, dass psychische Probleme nichts anderes sind als körperliche. Ich habe mich geirrt. Hast du nicht. Du bist krank. Und ein kranker Mensch braucht ärztliche Hilfe. Das muss ich dir doch nun wirklich nicht erklären. Ich bin also nicht verrückt, weil ich hier sitze. Nein. Bist du nicht. Du bist nur krank. Und du wirst wieder gesund. Krank. Ich bin also krank. Krank im Kopf. So muss es wohl sein. Nicht verrückt, nur krank. Und wenn er mich einweist? Das wird er nicht. Und wenn doch. Das wird er nicht. Er wird es aber irgendwann tun müssen, wenn du jetzt fluchtartig die Praxis verlässt. Du kommst ohne ärztliche Hilfe nicht auf Dauer zurecht. Das weißt du. Ja, das weiß ich.

So lernte ich Dr. Lange kennen, Facharzt für Psychiatrie, Neurologie und Psychotherapie.

»Was kann ich für Sie tun?« Die schlichte und routinierte Frage eines jungenhaften Mannes, dem immer der Schalk aus den Augen blitzt. Merkwürdig. Ruhig und geduldig, aber dieses Blitzen in den Augen hört nie auf.

Ich habe ihm meine Geschichte erzählt und er hat mitgeschrieben. Nur Stichworte. Warum eigentlich?

Und dann die Symptome: Traurigkeit, immer wieder diese Traurigkeit, die mich zu schlucken droht, Schlaflosigkeit. Angst und Panik. Unruhe.



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