Schöne Neue Welt by Aldous Huxley

Schöne Neue Welt by Aldous Huxley

Autor:Aldous Huxley [Huxley, Aldous]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman, Science Fiction
ISBN: 9783596903450
Google: txdEygAACAAJ
Amazon: 3596200261
Herausgeber: Fischer Taschenbuch Vlg.
veröffentlicht: 2007-02-14T23:00:00+00:00


Neuntes Kapitel

Nach diesem Tag der Wunder und des Grauens fühlte Lenina, daß sie Anspruch auf einen ganz ungestörten Ruhetag hatte. Kaum wieder in der Schutzhütte, schluckte sie drei Gramm Soma, legte sich zu Bett und war binnen zehn Minuten unterwegs in die Ewigkeit auf dem Mond. Es würden mindestens achtzehn Stunden vergehen, bis sie wieder ins Zeitliche zurückkehrte.

Sigmund lag unterdessen gedankenvoll mit offenen Augen im Dunkeln. Erst lange nach Mitternacht schlief er ein. Aber seine Schlaflosigkeit hatte ihr Gutes ge habt. Sigmund hatte einen Plan.

Pünktlich um zehn Uhr am folgenden Morgen entstieg der grünuniformierte Mischling seinem Helikopter. Sigmund erwartete ihn unter den Agaven.

»Fräulein Braun ist auf Somaurlaub«, erklärte er.

»Kann kaum vor fünf Uhr zurück sein. Wir haben also sieben Stunden Zeit.« Zeit genug, nach Santa Fe zu fliegen, um alle nötigen Schritte zu unternehmen und, lange bevor sie aufwachte, wieder in Malpais einzutreffen.

»Sie ist doch hier in Sicherheit?«

»Wie in einem Hubschrauber«, beteuerte der Mischling.

Sie bestiegen die Maschine und flogen sofort ab. Um zehn Uhr vierunddreißig landeten sie auf dem Dach des Postamts von Santa Fe, um zehn Uhr siebenunddreißig war Sigmund mit dem Weltaufsichtsamt in der Wilhelmstraße verbunden, um zehn Uhr neununddreißig sprach er mit dem Vierten Sekretär Seiner Fordschaft; um zehn Uhr fünfundvierzig wiederholte er die Geschichte dem Generalsekretär, und um zehn Uhr siebenundvierzigeinhalb tönte ihm die tiefe, dröhnende Stimme von Mustafa Mannesmann persönlich ins Ohr.

»Ich habe mir gestattet, anzunehmen«, stammelte Sigmund, »daß Eure Fordschaft die Sache von hinreichendem wissenschaftlichen Interesse finden wird -«

»Ich finde sie von hinreichendem wissenschaftlichen Interesse«, sagte die tiefe Stimme. »Bringen Sie die beiden mit, wenn Sie nach Berlin zurückkommen.«

»Es ist Eurer Fordschaft bekannt, daß ich dazu einer besonderen Erlaubnis -« »Die nötigen Weisungen gehen gleich an den Kustos der Reservation«, antwortete der Aufsichtsrat. »Begeben Sie sich unverzüglich in sein Amt. Guten Morgen, Herr Marx.«

Stille. Sigmund hängte den Hörer ein und eilte auf das Dach. »Zum Kustos!« befahl er dem Gammagrünen.

Um zehn Uhr vierundfünfzig schüttelte er dem Beamten die

Hand.

»Sehr erfreut, Herr Marx, sehr erfreut«, schmetterte der

ehrerbietig. »Wir erhielten soeben besonderen Auftrag -« »Weiß schon«, unterbrach ihn Sigmund. »Habe gerade mit

Seiner Fordschaft telefoniert.« Sein blasierter Ton deutete an, daß er tagtäglich mit Seiner Fordschaft zu telefonieren pflegte. Er warf sich auf einen Stuhl. »Veranlassen Sie bitte so schnell wie möglich alles Nötige! So schnell wie möglich!« wiederholte er mit Nachdruck. Er fühlte sich.

Drei Minuten nach elf hatte er alle erforderlichen Papiere in der Tasche. »Wiedersehen!« sagte er mit Gönnermiene zum Kustos, der ihn bis an den Lift begleitete. »Wiedersehen!«

Er ging ins Hotel hinüber, nahm ein Bad und eine Vibrovakuummassage, ließ sich -elektrolytisch rasieren, hörte sich die Vormittagsnachrichten an, verbrachte eine halbe Stunde am Fernsehapparat, aß gemächlich zu Mittag und flog um halb drei mit dem Aufseher nach Malpais zurück. Der junge Mann stand vor der Schutzhütte.

»Sigmund!« rief er. »Sigmund!« Keine Antwort.

Lautlos lief er auf seinen Fellmokassins die Stufen hinauf und rüttelte an der Tür. Die Tür war verschlossen.

Sie waren weg! Abgeflogen! Niemals war ihm etwas Schrecklicheres widerfahren. Sie hatten ihn eingeladen, sie zu besuchen, und nun waren sie weg.



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