Schnurr mir das Lied vom Tod by Anlauff Christine

Autor:Anlauff, Christine
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783492963275
Herausgeber: Piper
veröffentlicht: 2013-11-04T05:00:00+00:00

24

IN SIMON SCHWÄRTE ES. Seit sie aus dem Ort herausgefahren waren, bewegte er unablässig die Hände, verschränkte sie, ließ die Daumen spielen und legte sie schließlich auf die Knie, wo sie in einen lockeren Klopfrhythmus verfielen. Liebermann überholte einen kriechenden VW und wartete darauf, dass Simon die Sprache seiner Hände in eine allgemeinverständlichere übersetzte. Zehn Minuten später gab er auf.

»Was sagen Sie dazu? Wir ziehen in ein Kinderheim, um einen Toten zu suchen, und finden ihn im Vorgarten eines Hausmeisters.«

Simon hob sachte die Hände von den Beinen. »Wir haben ihn auch im Heim gefunden, an einem Säuferstützpunkt und in einem Schneemann. Es ist, als ob er uns auf Schnitzeljagd schickt. Sie verstehen, eine, bei der man Konfetti oder Papierschnipsel auf den Weg streut, damit ein anderer ihnen folgt. Die Frage ist nur: Wer ist ›man‹, und: Wo endet die Jagd?«

Liebermann lächelte. Es ging ohne Zweifel bergauf mit seinem Anwärter. Blieb zu hoffen, dass das grausame Mädchen ihn nicht wieder in die Finger bekam.

»Ersterer ist der Kapuzenmann selbst. Die Schnipsel, denen wir folgen, sind die Späne seines Lebens. Das Ergebnis ist, dass wir einerseits vorwärtsgehen, andererseits zurück. Mit etwas Glück stolpern wir unterwegs über seinen Mörder.«

»Mit etwas Pech landen wir bei seiner Hebamme«, meinte Simon. Liebermann sah ihn verdutzt an. Eindeutig, es ging bergauf.

UNGEFÄHR DREI KILOMETER SPÄTER zog Liebermann einen Zettel aus der Jackentasche und angelte sein Handy von der Ablage.

Nico hatte zwei Anrufe auf seiner Mailbox hinterlassen. Er verschob das Lesen und gab die Nummer von Kommissarin Holzmann ein.

»Ich möchte, dass Sie jemanden auf Vorstrafen überprüfen«, sagte er zu ihr. »Den Vornamen weiß ich nicht, der Nachname ist Mattekat. Männlich. Seit einer ganzen Weile, mindestens den Siebzigern, wohnhaft in Zug, Straße des Friedens, Nummer…«

»Zwölf«, raunte Simon.

»Zwölf…Ja, Zug wie Eisenbahn, ein Kaff in der Nähe von Reesen. Falls Sie etwas finden, rufen Sie mich zurück! Hat Oberkommissar Müller seine Säufer schon ausgewrungen?…Verdammt. Wir sind auf dem Weg.« Er legte auf und sah Simon an. »In Petzow ist der Teltowmörder zwei verrückten Frauen aus einer verlassenen Gärtnerei entwischt, wo er mit einer von ihnen verabredet war. Immerhin war der Oberkommissar so umsichtig, die Zugreiftruppe mitzunehmen, um das Gebiet zu durchkämmen. Wissen Sie, wo Petzow liegt?«

»Sicher«, antwortete Simon. »Südwestlich von Potsdam.«

»Fahrland und Kartzow?«

»Nördlich.«

»Und davor war er in Stahnsdorf und Babelsberg, nachdem er in Teltow seinen tödlichen Streich ausgeführt hat. Sehen Sie das Muster?«

Simon schloss die Augen. Ein paar Sekunden verharrte er reglos, dann öffnete er die Augen wieder. »Von Osten nach Westen?«

»Exakt. Wie die Sonne. Vielleicht ist ihm diese Richtung eingegeben, wie einem Lachs, der sich zum Laichen immer stromauf bewegt, aber das schert uns nicht. Wir wissen jetzt, in welche Richtung er weiterwandern wird, falls Müller ihn heute verpasst. Nach Süden. Welche Ortschaften liegen auf dem südlichen Außenring von Potsdam, ungefähr sieben bis zehn Kilometer von Petzow entfernt?«

Simon dachte nach, aber diesmal ließ er die Augen offen. »Wilhelmshorst oder Michendorf, oder Drewitz, wenn Sie die entferntere Variante nehmen. Danach würde er sich wieder seinem Ausgangspunkt nähern, um den Kreis erneut zu beginnen. Aber das würde bedeuten, dass er sich immerfort wie ein Trabant um die Stadt bewegt.

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