Schlagschatten by Irene Rodrian

Schlagschatten by Irene Rodrian

Autor:Irene Rodrian [Rodrian, Irene]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
veröffentlicht: 2014-02-15T16:00:00+00:00


15

Es klappte nicht. Der Mann vom Deutschen Austauschdienst hatte doch nicht soviel zu sagen, und für die nächsten Jahre war schon alles verplant. Brüssel höchstens oder vielleicht Mailand. New York war endgültig gestorben, das konnte er ja vielleicht mal privat machen oder San Francisco, warum auch nicht. Madrid oder Austin, Texas. Das Dumme war, daß er einerseits kein Anfänger mehr war, andererseits noch nicht bekannt genug.

Kurt hörte sofort auf zu arbeiten. »Ich bin nicht originell genug, ich bin ihnen nicht europäisch genug. Ich bin wie alle. Ich bin ein Nichts.« Gina tröstete ihn, so gut sie konnte, bewunderte sein endlich fertiges Triptychon und konnte gerade noch verhindern, daß er die Ausstellung platzen ließ. Organisierte das Rahmen, Hängen, die Einladungen und den Katalog. Setzte es bei der Galerie durch, daß auf Prozentbeteiligung Postkarten von einigen Bildern gedruckt wurden.

Am Tag der Vernissage war Kurt krank. Magenkrämpfe und Brechdurchfall. Gina holte einen Arzt, der ihm eine Spritze gab. Sie schleppte ihn ins Bad, rasierte ihn und zog ihn an. Fuhr ihn in die Galerie.

Die Räume waren überfüllt, auf einem Tisch standen Käse, Oliven, Brötchen und Rotwein.

Kurt bewegte sich nicht. Stand bleich und mager in einer Ecke, grüßte, wenn man ihn ansprach, antwortete, wenn man ihn etwas fragte. Gina war überall. Sprach, lachte, erklärte. Verkaufte.

Der zweite Bürgermeister war da, jemand vom Kultusministerium und zwei Museumsdirektoren mit ihren Frauen. Vertreter der führenden Zeitungen. Das Interesse war groß, man sprach über einen Ankauf. Nein, nicht gleich das Triptychon, eher etwas Kleineres, Spezifischeres, der Vollständigkeit halber. Das Jahr ging trotzdem weg. An einen Privatsammler aus Essen.

Kurt blieb apathisch, man legte es ihm als Erschöpfung und Bescheidenheit aus. Einer von den KuMi-Fritzen fragte Gina, wie alt Kurt sei. Man könnte ihn für die Villa Massimo vorschlagen, die Chancen stünden nicht schlecht, und die Familie dürfe er nach neuesten Bestimmungen auch mitnehmen. Ob sie Kinder hätten?

Zu Hause igelte Kurt sich ein. Er wollte niemanden sehen, ging nicht ans Telefon. Gina brachte ihm das Essen ins Atelier hinüber, wo er stundenlang vor einer Skizze saß, die er schon vor Jahren angefangen hatte. Die Reaktionen in der Presse waren fast durchweg positiv, einige sogar euphorisch. Zwei freundlich interessierte Schreiben vom Folkwang Museum und einigen Privatgalerien. Eine höfliche Anfrage von einem Verlag, der ein modernes Kunstlexikon herausgeben wollte. Kurt begann wieder zu essen.

Auf der Akademie hatte er von der Villa Massimo geträumt. Ein Jahr lang mit anderen Künstlern frei leben und malen können, Rom, südliche Sonne, Pinien und Zypressen. Aber jetzt. So. Er hatte Berichte im Fernsehen und Bilder in Zeitungen gesehen. Primitiv, eng, spießig. Wie soll ein Künstler sich frei entfalten können, wenn überall Kinder herumkreischen und Muttis regelmäßig die Bohnensuppe auf den Herd stellen.

Nein, er war nicht einer von denen, die selber schon arriviert sind und trotzdem den weniger bekannten Kollegen das Brot wegfressen. Er lehnte ab, noch bevor er eingeladen wurde.

Gina schwieg.

Eines Tages brachte er einen Stapel bunt glänzender Prospekte, Kataloge, Reiseführer und Fotobände mit. Spanien, die Kanarischen Inseln, die Balearen. »Wir besuchen Robert, was hältst du davon?« Ohne ihre Antwort abzuwarten, ging er zum Telefon und gab ein Telegramm durch.



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