Schandpfahl by Stefan Barz

Schandpfahl by Stefan Barz

Autor:Stefan Barz
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: KBV Verlags- Medien
veröffentlicht: 2013-12-31T16:00:00+00:00


Gedankenverloren schlenderte Kahli über den Aldi-Parkplatz und bemerkte nicht den Jungen, der auf ihn zukam. Er spürte einen Stoß gegen die Schulter und wusste nicht, ob er absichtlich angerempelt worden, oder ob es ein Versehen gewesen war. Als Kahli sich umdrehte, erkannte er Tobi.

Tobi ging wieder auf Kahli zu, spielte eine Umarmung vor und fragte Kahli ins Ohr: »Hast du was für mich?«

»Nee!«

Tobi sah ihn an wie der ungläubige Thomas den Wiederauferstandenen.

»Na los, nun rück schon raus die Scheiße.«

»Nee, hab nix!«

Kahli lachte und sah Tobi an wie ein Halbirrer. Er konnte verstehen, dass Tobi irritiert war. Tobi war einer seiner besten Kunden gewesen. Obwohl Tobi gerade erst 18 war, konsumierte er Kokain wie ein Rockstar. Wobei er nicht alles, was er bei Kahli kaufte, selbst einnahm. Kahli wusste, dass Tobi manchmal kleine Partys gab und seinen Freunden eine Line spendierte, damit alle gut drauf waren. Das Beste war: Tobi diskutierte mit Kahli nie über den Preis, denn Geld hatte er mehr als genug – das heißt, seine Eltern hatten die Kohle, die Tobi verkokste, und Tobi machte nie einen Hehl daraus, dass er einmal die Firma seines Vaters übernehmen und dann auch reich sein würde, wenn er erst einmal sein Abi gemacht und Wirtschaft studiert hatte. Kahli bezweifelte allerdings, dass Tobi bis dahin noch klar genug in der Birne war, aber das war ihm bisher egal gewesen. Viele seiner Kunden waren noch Schüler, manche hatten reiche Eltern wie Tobi, andere hatten das nicht und mussten sich das Geld auf andere Weise beschaffen. Aber eines hatten sie alle gemeinsam: Alle würden sich früher oder später mit dem Zeug kaputt machen. Na und? Menschen waren schlecht, Menschen waren Wölfe unter Wölfen, die sich gegenseitig zerfleischten. Sie hatten Kahli vor langer Zeit drangsaliert, und das hatte er der Menschheit heimgezahlt, indem er hirnschädigende Drogen verkaufte, und irgendwann, so hatte er immer gedacht, würde er auch den Kindern seiner Peiniger Drogen verkaufen und zusehen, wie sie alle daran zugrunde gingen. Er genoss es, sich den Untergang der Menschheit an Typen wie Tobi anzusehen, und er hatte damit auch noch ein regelmäßiges Einkommen.

Er selbst blieb lieber bei seinen Joints, die er für weitaus ungefährlicher hielt und die ihm gelegentliches Glück in sein sonst so tristes Leben brachten.

»Dann bring mir aber spätestens morgen was«, drängte Tobi und fuhr sich mit der Hand durch die gegelten Haare.

»Nee«, sagte Kahli, »ich mach’ das nicht mehr.«

»Was heißt das?«

»Na, dass ich das nicht mehr mache. Und dass du dir jetzt einen anderen Dealer suchen kannst. Ich habe aufgehört, das Zeug zu verkaufen.«

Tobi verschränkte die Arme vor der Brust. »Seit wann?«

»Seit ein paar Tagen.«

Tobi schubste ihn mit beiden Armen. »Spinnst du? Warum denn? Brauchst du kein Geld mehr?«

Darüber hatte sich Kahli noch nicht viele Gedanken gemacht. Erst einmal reichte sein Geld noch eine Weile. Natürlich gab es einen Grund, warum er mit dem Dealen aufhörte. Sein Leben hatte in diesem Monat einen neuen Sinn bekommen. Einen tieferen Sinn. Das hatte mit Gerechtigkeit zu tun. Mit höherer Gerechtigkeit. Aber davon verstand Tobi nichts.



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