Ruth Drexel by Gunna Wendt
Autor:Gunna Wendt
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Theater
Herausgeber: www.langen-mueller-verlag.de
veröffentlicht: 2014-09-01T00:00:00+00:00
9
Chefin
»Sie hat kein Nein akzeptiert.«
Mutter, Ratgeberin, Sklaventreiberin, Psychiaterin, Frau Häuptling, Alphatier â die Bezeichnungen für Ruth Drexels Position innerhalb ihrer groÃen Künstlerfamilie sind phantasievoll. Eine »Meisterin des dialektischen Denkens« wird sie von Ottfried Fischer genannt. Eine »Meisterin der Dialektik und der Didaktik«, ergänzt Werner Asam. Und der ehemalige Münchner Oberbürgermeister Christian Ude lobt Ruth Drexels Qualitäten als »Politikerin«: Sie habe neben ihren künstlerischen auch immer politische Wertvorstellungen gehabt und sei »sehr wirkungsvoll und nachdrücklich für deren Realisierung« eingetreten. »Sie war ein sehr politischer Mensch mit einem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn«, sagt Silvia Wechselberger, »im Beruf und im Leben. Sie hat nicht einfach so dahingelebt, sondern sich über alles Gedanken gemacht, nicht nur über das, was das Theater betraf. Wenn jemandem eine Ungerechtigkeit widerfahren ist, hat sie sich aufgeregt und für ihn eingesetzt. Einfach weil sie sich zuständig gefühlt hat.«
Auf den Punkt bringt es ihre Tochter Cilli: »Sie war der Chef! Mein Vater würde sagen, sie war die Chefin. Ich würde sagen, sie war der Chef. Denn meine Mutter hat als Regisseurin und als Leiterin des Theaters und überhaupt durchaus mit männlichen Kampfmethoden gearbeitet. Sie hat Entscheidungen gefällt, sie hat auf den Tisch gehauen, sie hat gesagt, so und nicht anders, sie hat die Leute niedergemäht, wenn es sein musste. Was man von auÃen als männliche Verhaltensweise interpretieren würde, hatte sie drauf.«
Als die emanzipierteste Frau, die er je kennengelernt habe, charakterisiert sie Ottfried Fischer und führt in seiner Autobiografie aus: »Ihre Art, emanzipiert zu sein, resultierte aus einer ihr eigenen gehörigen Prise Machiavellismus, der die Menschen einteilte in wenige Gleichwertige, also auf Augenhöhe befindliche, klare Untergeordnete und Unwichtige, die je nach Bedarf rekrutiert wurden. Um solchen Unsinn, wer im Falle der Gleichberechtigung wem die Tür aufhalten muss oder nicht, ging es nie. Entscheidend allein war für sie der Nutzen der Emanzipation. Eine modernere, klarer und schärfer denkende Frau hab ich nie kennengelernt. Sie war der Inbegriff einer emanzipierten Frau, sie war Frau.«
Für Gregor Bloéb war es angenehm, dass es nie eine Geschlechterdiskussion gegeben hat, wie es zeitweise am Theater üblich war. »Diesen Ball hat die Ruth nie gegen mich ausgespielt. Sie war eine wirklich emanzipierte Frau, die nicht über die Frauenquote gequatscht hat oder mit irgendwelchen Bestimmungen dahergekommen ist. Das hatte sie nicht nötig. Sie hat nicht groà darüber geredet, sie hat es einfach gemacht. Sie hat ja auch als erste Frau am Resi Regie geführt. Sie war überhaupt ein Mensch, der Dinge einfach gemacht hat. Ich hab die Arbeit mit ihr geliebt.« Das bedeutet allerdings nicht, dass die Zusammenarbeit immer nur harmonisch gewesen ist. »Einmal sind wir zusammengekracht«, erzählt Gregor Bloéb. Er sei auf der Bühne ausgeflippt, habe sein Kostüm zerrissen und sei in die Garderobe gerannt. An Details könne er sich jedoch nicht mehr erinnern. Cilli Drexel war damals dabei, als der »wilde Jungspund« bei der ersten Bühnenprobe mit Kostüm einen Wutanfall bekam, weil er alles schrecklich fand. »Sein Tobsuchtsanfall führte zu einem Tobsuchtsanfall bei meiner Mutter. Dann ist sie hinter ihm hergelaufen, meine nicht mehr ganz so junge Mutter hinter diesem jungen wilden Tiroler Bergsteiger.
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