Risswald: Alpenkrimi by Gösweiner Wolfgang

Risswald: Alpenkrimi by Gösweiner Wolfgang

Autor:Gösweiner, Wolfgang [Gösweiner, Wolfgang]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Sieben Verlag
veröffentlicht: 2013-12-31T23:00:00+00:00


23

Ein Punkt nur, ein winziger Tupfer am Bierglas, in dem sich der einsame Sonnenstrahl brach, der sich durch Patricks zugezogene Vorhänge zwängte. Ein einziger Punkt, und doch ein Punkt zu viel an diesem alkoholgeschwängerten Morgen, Ärgernis und Störenfried beim Versuch, den zurückliegenden Tag zu vergessen. Patrick kniff die Augen zusammen und streckte sich in seinem Bett.

Die Digitalanzeige seines Weckers stand auf Viertel nach acht.

Du musst zur Arbeit, befahl seine innere Stimme und Horden wild gewordener Bienen schwirrten durch seinen Kopf, der um diese Zeit wohl auf alles getrimmt war, nur nicht darauf, zu funktionieren. Wie war das noch mal? Patricks Augenlider flatterten. Unter Aufbietung all seiner Kräfte stieß er seine schweißnasse Decke zurück, richtete sich auf und setzte sich auf die Bettkante. Du musst zu Martha rüber! Erbarmungslos pochte die Stimme in seinen Schläfen, trieb ihn aus dem Bett und ließ ihn den Flur entlang ins Badezimmer torkeln. Das Hämmern und Rattern in seinem Kopf wurde lauter. Millionen schwerer Hammerschläge, die bis in den hintersten Winkel seines Hirns trommelten, dazwischen Erinnerungsfetzen. Der Streit. Die beiden Typen. Die Flucht. Patricks Hände zitterten, als sie am Wasserhahn drehten. Er senkte den Kopf und tauchte ihn unter das erfrischende Nass.

Die Vorschlaghämmer verstummten, arbeiteten wieder, verstummten. Patrick trocknete sein Gesicht mit einem Handtuch und ging zurück in sein Zimmer.

Sein Vater würde ihn vermissen. Er musste sich beeilen, um zehn Uhr im Kaffeehaus sein. Patrick mochte seinen Job als Kellner, die Betriebsamkeit, seine Kollegen, doch an Tagen wie diesen wäre er am liebsten in einem metertiefen Loch versunken. Warum nur musste das alles geschehen? Warum hatte er sich das alles überhaupt angetan? Er war mit seinem Leben soweit zufrieden. Gut, ein wenig eintönig war es hie und da, doch es gab Schlimmeres. Zum Beispiel das, was Martha passiert sein musste. Patrick schluckte. Martha, immer wieder Martha. Ihretwegen war er überhaupt erst zu dieser Clique gestoßen, ihretwegen hatte er sich mehr und mehr von seinen früheren Freunden entfernt. Er versuchte, zu ergründen, warum. Der Reiz der Verbotenen? Nein. Die Drogen hätte er nicht unbedingt gebraucht, obwohl sie, so redete er sich ein, kreatives Potenzial in ihm freisetzten. Der Hauch von Abenteuer, die Geheimniskrämerei? Oder war es doch das Gewissen, das an ihm zehrte, die Erinnerung an sein Schweigen vor so langer Zeit?

Patrick schlüpfte in Hose und Hemd und ging ins Bad zurück. Nein, die Wahrheit liegt wo anders, befand seine innere Stimme. Unmittelbar über deinem Brustkorb, am rechten Fleck. Und sie pocht so lange, bis du ihr zum Durchbruch verhilfst. In einem Anflug von Wut schleuderte er seinen Kamm zu Boden. Verdammt, na und, dann hatte er eben Gefühle für Martha! Trug nie begrabene Hoffnungen mit sich herum. Aber das änderte doch nichts an seinen Beobachtungen. Hannes hatte Marthas Vater bedroht, weil er ihn für einen Mörder hielt. Und seine Tochter hatte den Mord provoziert. Eine einfache Schlussrechnung. Patricks Herz begann auf einmal, wild zu klopfen. Und was, wenn …?

Er verteilte Deo und Aftershave in seinem Gesicht, schleppte sich in die elterliche Küche, braute sich einen dunklen Kaffee und brach auf.



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