Pelte, Reinhard by Inselbeichte

Pelte, Reinhard by Inselbeichte

Autor:Inselbeichte
Die sprache: deu
Format: mobi, azw3
veröffentlicht: 2012-08-11T15:31:48+00:00


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Jung legte den Hörer zurück und atmete aus. Seine plötzliche Promotion musste er erst einmal verdauen. War es eigentlich fair, so mit ihr umzuspringen, fragte er sich? Er hatte sie durch die Manege geführt wie einen Ochsen am Nasenring. Aber sie hatte sich gerne führen lassen. Edle Einfalt und stille Größe waren sicherlich nie ihre Stärken gewesen und wenn doch, dann zu armer Egozentrik und lauter Winzigkeiten zusammengeschrumpft. Mein Gott, man soll seinen Nächsten lieben wie sich selbst, nicht weniger aber auch ja nicht mehr, beruhigte er sich. Außerdem ging es um die Aufklärung eines Verbrechens. Da waren schon mal Mittel erlaubt, die nicht den höchsten moralischen Standards entsprachen.

Er schob seine Gedanken beiseite und gab sich dem Echo hin, das das Gespräch in ihm ausgelöst hatte. Deutlich spürte er, dass er etwas Wichtiges gehört hatte. Er hatte einen Hauch von der Aura der allerengsten Umgebung des Mädchens aufgenommen, einen Geruch, der ihm vielleicht einen Schlüssel zum Verständnis dessen, was passiert war, liefern konnte. Aber noch blieben die Zusammenhänge verschwommen und verwaschen. Warum stritt Immo ab, Kontakt mit der Familie gehabt zu haben? Kannte er das Mädchen? Stand er der Familie nahe, dass er nicht mehr auf sie angesprochen werden wollte? Und wenn das schon so war, warum hatte er dann noch den Sohn in seinem Betrieb ausgebildet? Warum hing das Foto der glücklichen beiden in Immos Sekretariat? Warum hatte sich Immo mit Udo überworfen? Welcher Grund reichte aus, ihn nach so vielen Jahren noch zu verleugnen? Und warum machte er seine Homosexualität nicht öffentlich, und zwar so, dass es auch seine einfältige Sekretärin kapierte?

Das Telefon klingelte. Jung nahm den Hörer ab und meldete sich: »Jung, Polizei-Inspektion Nord.«

»Hallo Tomi. Frohes neues Jahr. Schön, deine Stimme zu hören.«

»Hallo Klaus. Frohes neues Jahr. Wie hast du den großen Schnee überstanden?«, begrüßte Jung seinen Freund Boll überrascht.

»Ich war auf Holnis eingeschneit. Zum Glück hatte ich Vorräte und einen Kaminofen. Und du? Wie ging’s bei dir?«

Jung erzählte ihm ausführlich, wie er die aufregenden Tage verbracht hatte.

»Alles wohlauf. Das ist ja die Hauptsache. Hast du Fortschritte im Fall des verschwundenen Mädchens gemacht? Das wäre meine zweite Frage.« Boll schien sich zu langweilen und benutzte die günstige Gelegenheit, sich zu unterhalten.

»Ja, ich glaube, ich bin auf etwas Wichtiges gestoßen. Wie wär’s, wenn wir uns sehen und darüber reden?«

»Bei mir draußen, auf Holnis? Das wird schlecht gehen. Du brauchst einen allradbetriebenen Offroader, wenn du bis zu mir durchkommen willst.«

»Dann komm doch in die Stadt. Du musst doch irgendwie aus deiner arktischen Hölle herauskommen können? Wir gehen irgendwo was essen.«

»Ich bin schon in der Stadt. Gute Idee. Wo willst du hin?« Boll klang froh, nicht so bald in die weiße Einöde zurückzumüssen.

»Gehen wir ins Viva? Ich hab Appetit auf mexikanische Küche. Der chilenische Rotwein ist auch ganz passabel«, schlug Jung vor.

»Gut, dann bis gleich in der Roten Straße. Ich werde da sein.«

Jung legte den Hörer zurück und blickte aus dem Fenster. Das zusammengeschobene Eis auf dem Wasser und die Schneewehen an den Ufern reflektierten die gleißende Sonne, die von einem arktisch sauberen, blauen Himmel schien.



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