Password by Charles den Tex

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Autor:Charles den Tex [Tex, Charles den]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2012-07-10T04:00:00+00:00


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Wenn du fährst, fahre ich mit

Die Gewalt ließ mich nicht mehr los. Sie pochte hinter meinen Augen, ich spürte sie im eigenen Körper. Misshandlung in der Prostitution war nichts Ungewöhnliches; selbstverständlich hatte ich schon von Huren gehört, die von ihren Zuhältern gezwungen wurden, ihnen zu gehorchen. Wobei manchmal nicht ganz klar war, wo der Zwang anfing, aber Schläge ließen keinen Zweifel offen. So viel war mir klar, aber ansonsten hatte ich keinen blassen Schimmer, wie es in der Branche zuging. Ich musste an die Chakren und verfärbten Auren denken, die Lies gesehen und beschrieben hatte. Jetzt konnte ich mir etwas darunter vorstellen. Ich fragte mich, wie Gracie mit solchen Misshandlungen leben konnte, warum sie nicht fortging. Vielleicht, weil sie dadurch noch Schlimmeres würde erdulden müssen? Eine andere Form von Gewalt? Jeder Gedanke warf neue Fragen auf.

Das leere Wohnzimmer hielt sich wie ein Hintergrundbild auf meinem Monitor. Es geschah nichts. Die Taschen und Koffer, die am vorherigen Abend noch vor der Tür gestanden hatten, waren weg. Ich starrte in ein trostloses Zimmer. Einmal hoffte ich, die Frauen kämen herein und setzten sich an den Tisch oder aufs Sofa, als sei nichts geschehen, dann wieder hoffte ich, sie würden niemals zurückkehren.

Was Guus mit der Sache zu tun hatte, verstand ich immer noch nicht. Ich ging davon aus, dass sie den Frauen helfen wollte. Nach dem, was ich gesehen hatte, gab es genügend Gründe dafür. Aber warum war sie dann in Odessa und nicht bei den Frauen in diesem Haus? Die Männer wussten von Guus, sie kannten sie, hatten sie selbst abgeholt. Hatten sie sie nach Odessa gebracht? Oder geschickt?

Und dann Gracie. Ich hatte ihr gegenübergesessen, sie hatte mich angesehen, berührt, mich umarmt, ihre Lippen auf meine gepresst. Ihre Misshandlung traf mich härter, als ich es für möglich gehalten hätte. Hier in den Niederlanden war so etwas doch verboten? Das war es in jedem europäischen Land. Konnte ich nicht zur Polizei gehen, ihre Geschichte erzählen und Anzeige erstatten? Die Polizei hatte Lulu und Gracie schon einmal festgenommen, sonst hätten sie nicht im Gefängnis gesessen. Sie waren also bereits einmal verurteilt worden. Wahrscheinlich hielten sie sich illegal im Land auf. Alle Umstände in dem Haus am Lauriertuin wiesen darauf hin. Ich starrte den Bildschirm an, das Bild des leeren Zimmers.

Ich konnte Gemeinheit schon als Kind nicht ausstehen. In Dordrecht wuchs ich mit einem starken Bewusstsein dafür auf, was sich gehört und was nicht, basierend auf dem starken Glauben meiner Mutter und den bürgerlichen Anstandsvorstellungen meines Vaters. Seit der Scheidung meiner Eltern hatte ich viel von ihrer verklemmten Moral hinter mir gelassen, aber dort am Stadtrand von Dordrecht war unsere Familie näher bei Gott und weit weg von Huren und Drogen gewesen. Bei uns ging es anständig zu, aber Rotterdam und Amsterdam waren Sodom und Gomorrha. Dort trieben Kriminelle ihr Unwesen, dort herrschte die Gewalt, dort wurden Menschen misshandelt und ermordet. Oberhalb der großen Flüsse nahm die Verkommenheit zu. Wir wohnten zwischen den beiden Flüssen, an der Front gegen die Verderbtheit des Nordens. Meine Mutter machte sich ständig Sorgen – um die Zukunft des Landes und die Zukunft ihrer Kinder.



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