Nur in Rheinsberg bin ich glücklich gewesen by Hans Bentzien
Autor:Hans Bentzien [Bentzien, Hans]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: EDITION digital
veröffentlicht: 2015-08-30T16:00:00+00:00
Frangois-Marie Arouet, genannt Voltaire
Dessen ungewöhnlicher Lebenslauf und sein geniales Werk lassen darauf schließen, dass Friedrich auch vom tragischen Schicksal dieser ungewöhnlichen Persönlichkeit fasziniert war. Auch Voltaire war jung verbannt worden, und zwar nach England, auch er hatte im Gefängnis gesessen, war verprügelt worden, auch er war Freidenker und Spötter. Mit seiner Kampfdichtung „La Henriade“ wandte er sich gegen den Fanatismus aller Religionen. Orthodoxie und Dogmatismus waren seine Hauptfeinde, und damit hatte er sich mit dem Klerus und den Hof gebundenen Kollegen der gelehrten Zunft auch seine unerbittlichen, einflussreichen Gegner geschaffen. Selbst König Ludwig XV. schwankte zwischen Bewunderung und Hass. Diese Geisteswelt zog Friedrich an, unterbrach den Trott des Hofes und die ewigen Eskapaden seines Vaters. Hier konnte er sich orientieren und aufrichten. Und er fand in der Vernunftidee einen kämpferischen Ansatz für die Beseitigung alles Hemmenden, was die Menschen von ihrer Würde trennte. Was spielte es für eine Rolle, wenn seine Gegner Voltaire gierig, geldsüchtig, ehrgeizig und einen Hypochonder nannten. Und es ging sogar das Gerücht, er solle in einem Dreiecksverhältnis mit einer Marquise du Chatelet und ihrem Mann auf deren Schloss an der Grenze zu Lothringen leben, weil er aus Paris verbannt worden sei.
All das machte ihn in den Augen des Kronprinzen vielleicht nur noch interessanter, und er fasste Mut und schrieb ihm einen ersten Brief am 8. August 1736, der Vierundzwanzigjährige an den Zweiundvierzigjährigen. Bereits die ersten Worte dieses Briefes bezeugen reine Bewunderung für den Dichter-Philosophen: „Monsieur, wenngleich ich nicht die Genugtuung habe, Sie persönlich zu kennen, so sind Sie mir doch durch ihre Werke sehr wohl bekannt. Es sind, wenn ich mich so ausdrücken darf, Schätze des Esprits und Werke, die mit so viel Geschmack, Delikatesse und Kunst gearbeitet sind, dass ihre Schönheit bei jedem Wiederlesen ganz neu erscheint. Ich vermeinte darin den Charakter ihres ingeniösen Schöpfers wiederzuerkennen, der unserem Jahrhundert und dem menschlichen Geist überhaupt zur Ehre gereicht.“
Dann bittet er darum, dass er in Voltaires Korrespondenz einbezogen wird und dass dieser ihn in den Künsten und Wissenschaften unterweisen möge. Der Adressat fühlte sich verstanden und geehrt. In seinem Heimatland vom mächtigen Adel und Klerus bekämpft, erkennt der zukünftige König von Preußen seinen Rang, und Voltaire antwortet auf ähnliche Weise: „Monseigneur, man müsste fühllos sein, um von dem Brief, mit dem Ew. Kgl. Hoheit mich zu ehren geruhen, nicht inniglichst gerührt zu sein. Er schmeichelte meiner Eigenliebe nur zu sehr; aber die Liebe zum Menschengeschlecht, die seit je in meinem Herzen lebt und die, wie ich zu behaupten wage, meinen Charakter prägt, schenkte mir eine tausendfach reinere Freude, als ich erkannte, dass es auf der Welt einen Prinzen gibt, der als Mensch denkt, einen Fürsten-Philosophen, der die Menschen beglücken wird.“
Und gleich im ersten Brief kommt er auf eine Reise zu sprechen: „Ich würde es als kostbares Glück erachten, Ew. Kgl. Hoheit meine Aufwartung zu machen. Man reist gen Rom, um Kirchen, Gemälde, Ruinen und Reliefs zu betrachten. Ein Prinz wie Sie verdiente weit mehr eine Reise, ist er doch eine viel herrlichere Rarität.“
Der Auftakt zieht eine ständige Abfolge von Briefen nach sich, beide schonen sich nicht.
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