Nordwind: Kriminalroman (German Edition) by Östlundh Håkan

Nordwind: Kriminalroman (German Edition) by Östlundh Håkan

Autor:Östlundh, Håkan [Östlundh, Håkan]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783492955836
Herausgeber: Piper (com)
veröffentlicht: 2012-05-13T22:00:00+00:00


44

Henrik folgte den Anweisungen der Krankenschwester. Er erinnerte sich vage an einen Erste-Hilfe-Kurs vor langer Zeit. Jedes Mal, wenn er blies, hob sich der kleine Brustkorb zaghaft. Er traute sich nicht, zu fest zu drücken. Dann Malin. Er pustete und pustete.

»Ellen!«

Zwischen den Wiederbelebungsversuchen schrie er sich heiser.

Und dann, wie durch ein Wunder, hörte er Stimmen dort draußen. Schritte.

»Ellen!«

»Papa«, kam es aus der Ferne.

Ellen. Sie lebte.

»Es ist alles in Ordnung, Henrik. Wir sind hier draußen.«

Diesmal Maria. Henrik sprang auf und raste zur Tür, die noch offen stand. Sie waren nur noch wenige Schritte von der Treppe entfernt.

»Wartet! Wartet hier draußen«, brüllte er unkontrolliert, obwohl er sich gerade noch gesagt hatte, dass er ruhig und gefasst auftreten musste, um sie nicht zu erschrecken.

Maria und Ellen blieben abrupt stehen und starrten ihn mit flatternden Bademänteln an.

»Es ist … es ist …«, stammelte er, aber er wusste nicht, wie er es erklären sollte.

Einen Moment lang überlegte er, ob er etwas auf Englisch sagen sollte, aber schon im nächsten Augenblick schien ihm der Gedanke vollkommen absurd.

Maria hatte die Augen weit aufgerissen. Entsetzen und Zweifel hatten ihre bleichen Züge in ein Gesicht verwandelt, das er noch nie gesehen hatte.

Henrik blickte sie entschieden an.

»Bleib mit Ellen hier.«

Es gelang ihm sogar, seine Stimme einigermaßen normal klingen zu lassen.

»Ihr müsst draußen bleiben.«

Er machte kehrt und raste in einem seltsamen Freudentaumel zurück ins Haus. Ellen. Sie lebte und war unverletzt. Im Eingang ein hastiger Blick in den Spiegel. Er war über und über mit Blut beschmiert. Die Hände, das Hemd, das Gesicht. Auch an seinem Mund klebte dunkelrotes Blut. Er spürte Marias Blicke im Rücken, als könnten sie die Wände durchbohren. Sie musste glauben, er wäre verrückt geworden, habe die beiden getötet oder sei selbst verletzt. Es kümmerte ihn nicht. Im Moment zählte nur, dass sie nicht mit Ellen hereinkam. Sie musste dafür sorgen, dass Ellen dieser Anblick erspart blieb.

Er sank neben Axel auf die Knie. Er musste weitermachen. Beugte sich hinunter und hielt ihm die Nase zu. Aus dem Handy, das er neben sich gelegt hatte, drang ein Knistern. Er hörte eine Stimme flüstern, verstand aber nicht, was sie sagte. Er konnte sich das Telefon jetzt nicht ans Ohr halten. Noch nicht. Zuerst musste er pusten.

Er war schon so lange allein mit ihnen, allein mit dem Blut und den Körpern, allein mit der Stimme der Krankenschwester. Er hatte der Stimme gelauscht, Luft in Axels Lungen geblasen und mit den Händen auf den zarten Brustkorb gedrückt. Die Stimme war seine Rettung gewesen, die Stimme wies ihm den Weg, während er die beiden wieder zum Leben erweckte.

Allein in der Dunkelheit, hatte er mit dem Tod gerungen, über und über besudelt mit Blut, und nur hin und wieder eine Pause eingelegt, um nach Ellen zu rufen. Nach jeder dieser endlosen Minuten hatte eine entlegene Vernunft sein Herz mit einer immer kühleren Hand gepackt. Hatte ihm gesagt, dass es zu spät war.

Draußen hörte er ein Auto. Es bremste ruckartig. Eine Tür wurde geöffnet und wieder zugeschlagen. Eine Weile war es still, dann Schritte, eine fremde Stimme.



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