Nee, das war noch gelb!: Wahre Geschichten aus dem Alltag eines Polizisten (German Edition) by Markus Kothen & Sebastian Thiel
Autor:Markus Kothen & Sebastian Thiel [Kothen, Markus]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Humor
Herausgeber: Schwarzkopf & Schwarzkopf
veröffentlicht: 2015-01-23T05:00:00+00:00
Normales Tagwerk
Nach etlichen Klausuren, vielen Prüfungen, unzähligen zerschundenen Kugelschreibern und einer schmerzhaften Sehnenscheidenentzündung war es nach drei Jahren endlich so weit. Ich hatte die Kriminalmarke in der Tasche und durfte mich von nun an Kriminalkommissar nennen. Von der ländlichen Behörde zog es mich wieder in die Stadt und auch ein alter Bekannter kreuzte erneut meinen Weg.
Beinahe hätte ich meinen Kaffee verschüttet, als eines Morgens Mattus vor mir stand und meinen Rücken mit mehreren Schlägen traktierte.
»Da hast du es tatsächlich zur Kripo geschafft«, lachte er freudestrahlend bei unserer ersten Begegnung im Kommissariat und fuhr sich über den Bart. »Der Braune jagt jetzt die großen Jungs.«
Im Zuge der unzähligen Umstrukturierungen war Mattus aufgrund seines Alters vom Wach- in den Ermittlungsdienst berufen worden. Auch er hatte die zwei silbernen Sterne und die Uniform gegen die Kriminalmarke getauscht. Er war also nicht nur dienstälter, sondern mittlerweile schon Kriminaloberkommissar. Und das ganz ohne Fachhochschulstudium.
Also eigentlich war alles wie früher. Natürlich kamen wir auf eine Bude, in ein Büro, ich bekam den Schreibtisch genau gegenüber von ihm und Mattus hatte sich in den Jahren kaum verändert. So verstand es sich von selbst, dass mir sofort die besten Jagd-gebiete in der Oberlausitz vorgestellt wurden. Selbstverständlich ohne, dass ich darum gebeten hatte.
Trotzdem, ich konnte ihm nicht böse sein, immerhin hatte er mir sehr viel beigebracht. Und so ließ ich es sogar durchgehen, dass wirklich jeder auf der Dienststelle die Geschichte über die Entstehung meines fragwürdigen Spitznamens noch einmal aus erster Hand durch Mattus erfuhr. Er sparte dabei nicht mit Ausschmückungen und mich beschlich das Gefühl, dass im Laufe der Zeit meine Wedelattacke mit der Kelle immer größere Ausmaße annahm. Sei’s drum.
Einer unserer ersten gemeinsamen Fälle war ein Einbruch in einen Kiosk. Es war ein Dienstagmorgen im Herbst. Die ganze Dienststelle saß zusammen im Besprechungsraum. Einige tranken Kaffee, andere Tee. Alle hörten gebannt den Schilderungen des Dienststellenleiters zu, der den täglichen Lagebericht, eine Zusammenfassung der wesentlichen Ereignisse des vorherigen Tages und der vorherigen Nacht in der Behörde, vorlas. Nicht nur Kriminalfälle, auch größere Schadenslagen wurden so allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen bekannt gemacht.
Neben den Ermittlungsbeamten und den Kommissaren hatte noch eine Schülerpraktikantin am Ende des langen Tisches Platz genommen. Miriam war 18 Jahre alt und spielte mit dem Gedanken, nach dem Abitur im nächsten Frühjahr zur Polizei zu gehen. Sie war schon einige Tage bei uns im Kommissariat und ich hatte ihr auch schon einige Abläufe bei der Kriminalpolizei erklärt, nichts Spektakuläres versteht sich. Die tägliche Arbeit war es, die sie kennenlernen sollte. Dazu gehörte vor allem die Schreibtischarbeit. Das Lesen von Strafanzeigen, die Vernehmung von Zeugen und Beschuldigten, die Durchführung von erkennungsdienstlichen Behandlungen, also Fingerabdrücke nehmen und Fotos fertigen. Das war die klassische Ermittlungsarbeit, nicht so spannend, wie im Allgemeinen angenommen wird, aber notwendig und zeitaufwendig. Leider waren Akten und Fingerabdrücke nicht gerade Miriams Ding. An gefährlichen Einsätzen sollten die Praktikanten natürlich nicht unbedingt teilnehmen, was Miriam aber schrecklich wurmte. Heute war sie zum zweiten Mal bei einer Lagebesprechung anwesend und saß mit funkelnden Augen neben Mattus.
»Wir haben einen alten Bekannten in der Tonne sitzen«, eröffnete unser Chef mit einem Blick auf seine Unterlagen.
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