Mo und die Arier by Mo Asumang
Autor:Mo Asumang [Asumang, Mo]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Ku-Klux-Klan, Rassismus, Neonazis
ISBN: 9783104035901
Herausgeber: Fischer E-Books
veröffentlicht: 2016-02-24T23:00:00+00:00
Ich zeige dem alten Mann mit dem grauen Mantel und der dunklen Mütze ein Foto aus der Nazizeit, auf dem eine Parkbank zu sehen ist. Wir gehen ganz nah an das Bild heran, »Nur für Arier« steht auf der Rückenlehne der Bank in Großbuchstaben geschrieben. Wo hat diese Bank wohl gestanden? Ich sehe vor meinem inneren Auge ein altes jüdisches Pärchen, das sich ein paar Minuten auf ihrer Lieblingsbank ausruhen will. Dann erblicken sie die frisch beschriftete Bank, »Nur für Arier«. Sie wundern sich und nehmen sich bei der Hand. Ein paar Jahre später wird dasselbe Pärchen im KZ Majdanek in die Gaskammer geschickt, weil sie nicht nachweisen konnten, dass sie Arier sind.
»Nur für Arier?«, der alte Mann hält mein Arierheftchen mit dem Bild dicht vor seine Augen und schüttelt kurz den Kopf. Der Blick durch seine Brille ist wie ein Scan quer durch alle Zeitungen und Bücher, die er in seinem Leben je gelesen hat, im Abgleich mit seiner Lebenserfahrung. Er schaut die andern an und dann wieder auf das Bild mit der Parkbank. Er brütet noch über einem Satz, der den ganzen Wahnsinn auf den Punkt bringen soll.
»Und diese Frau hier ist eine Jüdin.« Ich zeige auf ein Bild meiner jüdischen Freundin Esther Bejarano als Mädchen in den 1940er Jahren. »Viele Juden wurden umgebracht, weil die Nazis sagten, dass sie keine Arier sind.«
»Das ist nicht in Ordnung. Die Arier sind gut. Töten ist schlecht«, sagt die Frau, und ihr Mann fügt hinzu: »Die Juden haben auch das Recht auf Leben. Das hätten sie nicht tun sollen. Das kommt von ihren dummen Ideen. Das war eine Hitler’sche Idee.«
Schau mal, was hier alles zum Vorschein kommt, schießt es mir in den Sinn. Und als hätte der alte Mann meine Gedanken gehört, wirft er jetzt seine lang überlegte Essenz in die Runde: »Kurz gesagt, wir, die Arier, denken, Hitler war verrückt.«
Soll ich jetzt Mitleid mit dir haben? Wohl kaum! Dreimal muss ich auf meine Tasche klopfen, weil er darin tobt. So fühlt es sich zumindest an. Und obwohl ich mir einen Kaugummi rausnehmen möchte, wage ich es nicht, mit meiner Hand in die Tasche zu greifen. Es scheint mir augenblicklich zu gefährlich, weiß man’s.
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