Melitta von Stauffenberg by Medicus Thomas
Autor:Medicus, Thomas
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Rowohlt Digitalbuch
Melitta von Stauffenberg im Juli 1943, fotografiert im Atelier von Heinrich Hoffmann.
In der Rolle der Neuen Frau hatte sie am Ende der zwanziger Jahre als avantgardistische Garçonne en profil posiert69, ähnlich aber auch schon zu Beginn ihrer Studentenzeit als Schwabinger Bohemienne. Die noch vom Schwung des Jugendstils beseelte Gesichtslinie der Bleistiftzeichnung hatte die Herkunft des von Melitta bevorzugten Profils aus der Tradition des Scherenschnitts verraten, den sie als Schülerin mit groÃem Geschick ausgeübt hatte. Im Hoffmann-Porträt von 1943 waren Kindheitstage, Schwabinger Boheme und androgyne Berliner Garçonne jedoch grauer Schnee von gestern. Die Rollenspiele der Avantgarde waren nur mehr ein fernes Echo, jetzt galt es, eine Maske aufzusetzen, die innere Brüche und äuÃere Störungen in eine über alle Nervositäten erhabene glasklare Form goss.
Als Hanna Reitsch 1941 das EK II erhielt, blickte Melittas Konkurrentin in vollem Ordensschmuck breit lächelnd in die Kamera, das Glück, vom «Führer» persönlich ausgezeichnet worden zu sein, strahlte aus jeder Pore ihres dem Publikum offen und ohne jedes Geheimnis dargebotenen Jungmädchengesichtes. Frontalgesichter treten in Dialog, sind in der Welt, lassen Nähe des Betrachters wie dessen psychologische Deutung zu. In der Ruhe des Profilgesichtes hingegen liegt eine dialogverweigernde, seltsame Spannung, wie schön eine Profilansicht auch sein mag, für den Betrachter bleibt der Dargestellte abstrakt. In der langen Kunstgeschichte des Porträts dienten Profilansichten der Steigerung des Prestiges wie der idealisierenden Verherrlichung des Dargestellten. Kaum anders verhält es sich mit Melittas Hoffmann-Porträt, auf dem sie nicht den Anflug «eines Lächelns zeigt. Dass sie diese Pose selbst bestimmt und bei der Sitzung im Atelier ein gewichtiges Wort mitgeredet hat, ist bei einer versierten Porträtplastikerin, wie sie es war, mehr als wahrscheinlich.
Lächeln für den «Führer»: Hanna Reitsch 1941 mit 29 Jahren.
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