Madame Picasso by Girard Anne
Autor:Girard, Anne
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Aufbau Digital
veröffentlicht: 2014-12-31T16:00:00+00:00
Kapitel 20
Am nächsten Abend, als Eva nach der Vorstellung im Moulin Rouge ihre Sachen zusammenpacken wollte, wartete ein Mann in einem dunklen Mantel und einem seidig schwarzen Zylinder vor dem Bühneneingang auf sie. Er war groß und bärtig, hatte dunkelbraune Augen, eine hervorstechende Nase und ein warmes Lächeln. Sie war überrascht, als er sie als Mademoiselle Gouel und nicht als Marcelle Humbert ansprach, da in Paris nur wenige ihren richtigen Namen kannten.
»Ich habe den Auftrag erhalten, dieses Päckchen Ihnen, und nur Ihnen, zu übergeben.«
»Von wem, Monsieur?«, fragte sie und blickte auf das kleine Päckchen. Es war in braunes Papier eingeschlagen und mit einer Schnur verknotet.
»Ich nehme an, die Identität des Absenders wird sich Ihnen offenbaren, sobald Sie es geöffnet haben, Mademoiselle. Er ist für ein paar Tage nach Le Havre gereist, hat mich jedoch gebeten, Ihnen dies mit der größten Diskretion auszuhändigen.«
»Darf ich erfahren, wer Sie sind?«
Er blickte auf sie hinab und schenkte ihr ein kleines geduldiges Lächeln, während er höflich den Zylinder zog. »Ich bin Daniel-Henry Kahnweiler.«
Kahnweiler hatte in Paris einigen Ruhm als Kunsthändler erlangt, der bereits Größen wie Cézanne und Gauguin vertreten hatte. Eva hatte mehr als einmal in der Zeitung von seinen sensationellen Verkäufen gelesen, und sie wusste, dass Picasso einer seiner Maler war.
»Passen Sie gut auf den Inhalt auf, Mademoiselle. Heutzutage ist alles von diesem Künstler auf dem Markt von großem Wert.«
Evas Herz begann wild zu pochen. Sie blickte nach allen Seiten, um zu sehen, ob irgendeiner der Darsteller oder jemand von den Bühnenarbeitern ihr Gespräch mitbekommen hatte, glücklicherweise waren jedoch alle damit beschäftigt, ihre Sachen zusammenzusuchen.
»Packen Sie es lieber erst aus, wenn Sie allein sind«, riet Kahnweiler, als er ihr das Päckchen übergab. Einen Moment lang schien er es nicht loslassen zu wollen.
»Merci, Monsieur.«
»Ich habe ihm davon abgeraten, müssen Sie wissen. Er hat die Stadt für ein paar Tage verlassen, um den Kopf frei zu bekommen, daher glaubte ich nicht, dass er das Ausmaß eines solchen Geschenks bedacht hatte.«
»Ihr Auftraggeber scheint recht entschlossen zu sein.«
»Ach, Mademoiselle Gouel, wenn Sie wüssten«, seufzte Kahnweiler, ließ das Päckchen schließlich los und setzte sich den hohen Zylinder wieder auf.
Eva wusste in dem Moment, in dem sie das Päckchen öffnete, worum es sich handelte. Eine Collage aus Formen und warmen Farben vereinte sich auf der Leinwand zu einer süßen Melodie. Sie bewunderte, wie eigen und zugleich sinnlich das Gemälde war. Erst da fiel ihr die Widmung ins Auge. Drei kurze Wörter, die die gesamte Leinwand definierten: J’aime Eva.
Ich liebe Eva.
Sie war froh, allein im Zimmer zu sein, als sie das Päckchen öffnete, denn nun stieß sie einen kleinen Freudenschrei aus. War es möglich, dass er die ganze Zeit über dasselbe empfunden hatte wie sie? Dann dachte sie an Fernande und wie schamlos diese Eva, ausgerechnet sie, gebeten hatte, für sie zu lügen. Fernande hielt Picasso zum Narren.
Kurz darauf schlief Eva ein, die kleine Leinwand an die Brust gedrückt. Die Geschichte zwischen ihr und Picasso war noch nicht vorbei. Sie fing gerade erst an.
Am nächsten Morgen wachte sie vom Motorengeräusch eines
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