Link C.,Die Betrogene by Charlotte Link

Link C.,Die Betrogene by Charlotte Link

Autor:Charlotte Link
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Blanvalet-Verlag
veröffentlicht: 2018-02-14T00:00:00+00:00


3

Am Montag war Stella fast sicher, dass Terry und Denis das Weite gesucht hatten und dass sie nun mit ihrer Familie völlig allein auf der Farm war – gefangen in dieser düsteren Scheune, ausgestattet mit Wasser und Nahrungsmitteln; Vorräte, die bei sparsamer Einteilung bestenfalls noch drei Tage lang reichen würden. Sie hatte nicht gehört, dass ein Motor ansprang, aber sie hatte über viele Stunden in der Nacht so tief und so völlig am Ende ihrer Kräfte geschlafen, dass sie sich vorstellen konnte, den Aufbruch des Paares tatsächlich nicht mitbekommen zu haben. Am Sonntagabend hatte sie den Turm wieder errichtet und war zum Fenster hinaufgeklettert, hatte hinausgespäht. Sie hatte die beiden Autos der jungen Leute gesehen, aber das besagte nichts, da sie mit Sicherheit das Auto der Cranes für ihre Flucht benutzten.

Stella hatte eine Menge alter Lumpen, die sie in der Scheune gefunden hatte, mit hinaufgenommen, hatte ihre rechte Hand dick darin eingepackt und die Fensterscheibe zerschlagen, was ihr allerdings erst beim sechsten oder siebten Anlauf gelungen war. Sie stand so wackelig hier oben, dass sie keinen rechten Ausgangspunkt für eine wirklich kraftvolle Attacke fand. Aber endlich splitterte das Glas, und mit der nach wie vor gut geschützten Hand schaffte sie es, die verbliebenen Splitter aus dem Rahmen zu brechen und nach draußen auf den Hof zu werfen. Es war ein wunderbares Gefühl, den Kopf hinauszustrecken und die warme, klare Luft zu atmen. Sie schaute sich sehr genau um, sah aber nirgends ein menschliches Wesen, keinen Wanderer, keinen Mountainbiker, niemand. Ein paar Vögel, die sie mit dem lauten Klirren der Scheibe aufgeschreckt hatte, flatterten nervös herum, aber das war auch alles. Die Farm wurde ihrem Ruf als geradezu genialer Rückzugsort wieder einmal gerecht: Hierher verirrte sich tatsächlich kaum ein Mensch.

Stella kletterte wieder nach unten, verlor auf dem letzten Stück den Halt und stürzte ab. Sie kam heil auf, trug außer ein paar Abschürfungen an den Beinen keine Blessuren davon. Der Sturz war jedoch eine Warnung: Hätte sie höher gestanden, sie hätte sich ernsthaft verletzt. Einfach nur, um Luft zu schnappen, wie sie es sich gut hätte vorstellen können, durfte sie nicht hinaufklettern. Je seltener sie diese Leiter benutzte, umso besser. Vielleicht sollte sie zu einer festen Stunde am Tag oben Stellung beziehen und Ausschau nach Hilfe halten. Die Frage war, ob das Risiko, das sie einging, in einem vernünftigen Verhältnis zu den Chancen dieses Unterfangens stand.

Und die Chancen gehen gegen null, dachte Stella deprimiert, das ist einfach die bittere Wahrheit.

Sie hatte sich den Sonntag über ansonsten im Wesentlichen um Jonas gekümmert, der unvermindert hoch fieberte und die meiste Zeit über schlief. Sie hatte es endlich über sich gebracht, seine Wunde am Bauch freizulegen, obwohl sie sich davor gefürchtet hatte, aber es war klar, dass der Verband in Abständen gewechselt werden musste. Dank des Verbandkastens verfügte sie zum Glück über etliche Mullbinden. Jonas hatte gestöhnt, als sie den alten, blutverkrusteten Verband ablöste. Sie nahm schließlich etwas Wasser zu Hilfe, um die Prozedur zu erleichtern und Jonas’ Schmerzen zu mildern, aber es erschien ihr als eine bittere Verschwendung.



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