Letzte Herberge by Franz Kabelka

Letzte Herberge by Franz Kabelka

Autor:Franz Kabelka [Kabelka, Franz]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Haymon Verlag
veröffentlicht: 2015-04-18T16:00:00+00:00


17. DAS ARSENAL

Else

Donnerstag, 8. Juli ‘04

Was für eine Woche! Die letzten zwei Tage bin ich gar nicht dazugekommen, abends noch was ins GTB zu schreiben, so erschlagen war ich, so fertig. Den anderen geht’s nicht besser. Nicht nur, weil wir unheimlich viele Meter machen mussten mit dem Pauli und zeitweise dem Kurtl: Vorgestern haben wir sie auf die Bezirkshauptmannschaft begleitet zum Amtsarzt, gestern Vormittag den Pauli zum Psychiater, wo er sich monatlich melden muss, und am Nachmittag dann diese wahnsinnige Wanderung zu viert. Dazwischen noch kleinere Einkaufstouren in den Supermarkt, Socken stopfen (super, das war natürlich Snezanas und mein Job, von wegen Emanzipation!), Bude aufräumen, Boden wischen und drei Patschen an zwei Fahrrädern flicken. Für Letzteres durften Adrian und Clemens zum Ausgleich dran; als sie damit endlich fertig waren, hat das Doppelpack (so nennen sich Pauli und Kurtl selbst am liebsten) mehr im Scherz gemeint, es gäbe da noch eine alte Vespa, die wäre auch noch zu richten. Die Mühle hat bestimmt ein Vierteljahrhundert auf dem Buckel und sieht aus wie der reinste Schrotthaufen. Aber Adrian hat behauptet, er werde sie wieder hinkriegen. Adrian hält sich ja für ein verkanntes technisches Genie, das nur wegen seinen ignoranten Eltern nach der Vierten nicht in die HTL gekommen ist. Eineinhalb Tage hat er an dem rostigen Glump herum-geschraubt, jetzt fährt es tatsächlich wieder!

Mein Problem mit Clemens hat sich immer noch nicht eingerenkt. Im Gegenteil, es scheint schlimmer zu werden. Zweimal hab ich versucht, ihn auf unsere kleine Auseinandersetzung anzusprechen. „Vergiss es“, hat er gemeint. Aber er selbst hat es ganz offensichtlich nicht vergessen. Gibt sich mehr mit den alten, stinkenden Männern ab als mit mir. Snezana hat mich getröstet: Das sei nur eine vorübergehende Macke. Jungs müssten manchmal beweisen, dass sie nicht von Mädchen abhängig sind. Ein steinzeitlicher Chauvireflex, hat sie gesagt. Am Ende der Woche kommt er wieder schwanzwedelnd angekrochen, wirst sehen. Na ja, morgen ist Freitag und Zeugnisverteilung, und von einem wedelnden Schwanz ist weit und breit nichts zu merken.

Dabei hab ich mich nicht von seiner kalten Schulter abschrecken lassen. Hab sogar einen dreistündigen Fußmarsch mitgemacht, den der Pauli vorgeschlagen hat. Der Kurtl und der Adrian waren da nicht mit von der Partie. Der eine, weil er die Tour eh schon oft genug gegangen ist, dass sie ihm beim Hals heraushängt, der andere wegen der kaputten Vespa. Nach dem Mittagessen (Snezana hat für unsere Gruppe gekocht) ging’s los: Zuerst im Landbus vom Bludenzer Bahnhof nach Satteins, von dort quer über Wiesen und Äcker hinauf zum Schwarzen See. Bestimmt sehr idyllisch und so, aber Snezana und mir taten schon nach einer Stunde die Füße weh. Da hat der Alte eine Doppelliterflasche aus dem Rucksack gezogen, „Medizin für müde Mädchen“, und wir haben alle brav daran genuckelt. Snezana war ziemlich schnell blau und hat bald nur mehr gekichert. Was immer der Pauli gesagt hat, sie hat gewiehert wie ein Ross. Mir war das urpeinlich, trotzdem hab ich mitgemacht. Der Wein war das Billigste vom Billigsten, ein echter Fusel, aber ich wollte mir von Clemens nicht nachsagen lassen, eine heikle Zicke zu sein.



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