Lenas Flucht by Polina Daschkowa

Lenas Flucht by Polina Daschkowa

Autor:Polina Daschkowa
Die sprache: deu
Format: mobi, epub
ISBN: 9783746623818
Herausgeber: Aufbau Taschenbuch
veröffentlicht: 2007-08-21T00:00:00+00:00


Dreizehntes Kapitel

Als Lena morgens feststellte, daß Tante Soja nicht zu Hause war, und das gemachte Bett sah, wunderte sie sich nicht. Die Tante ging früh schlafen, stand morgens zeitig auf und hatte ständig irgendwelche politischen Dinge zu erledigen. Nachdem sie Pinja ausgeführt hatte, saß Lena bis gegen 17.00 Uhr an ihrer Übersetzung. Um halb sechs wurde sie doch ein wenig unruhig.

Als Tante Soja bis neun Uhr abends immer noch nicht aufgetaucht war, machte sie sich ernsthaft Sorgen. Sie kramte das Telefonbuch der Tante hervor und rief nacheinander alle ihre Freundinnen an, die sie seit ihrer Kindheit kannte. Keine hatte Tante Soja in den letzten zwei Tagen gesehen. Mehr noch, am selben Tag hatte eine wichtige Kundgebung der Kommunisten stattgefunden, wo Soja eigentlich hatte sprechen sollen. Aber sie war dort nicht erschienen. Schließlich stieß Lena neben der Garderobe im Flur auf die Stiefel der Tante. Sie besaß für jede Jahreszeit nur ein Paar Schuhe. Alles andere hielt sie für überflüssig. Das bedeutete, seit zwei Tagen hatte sie das Haus nicht verlassen. Dazu paßte auch, daß ihr Wintermantel im Schrank hing.

Lena verriegelte die Wohnungstür mit allen vorhandenen Schlössern und rief sofort Krotow an. Er war zu Hause.

»Sergej, meine Tante ist weg. Ich denke, die waren hier. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich habe große Angst.«

»Ich bin gleich da. Sagen Sie mir die Wohnungsnummer«, antwortete er.

Krotow hatte am Abend zuvor im Moskauer Polizeibericht von dem Unfall auf der Dmitrowsker Chaussee gelesen, die Nummer des Krankenwagens ermittelt und in Erfahrung gebracht, daß dabei vier Personen umgekommen waren – drei junge Männer und eine Frau von etwa sechzig bis fünfundsechzig Jahren.

Der Wagen gehörte der Firma »Medservice«. Obwohl die Leichen stark verbrannt waren, hatte man die drei Männer identifizieren können. Sie waren tatsächlich alle drei bei dieser Firma beschäftigt – einer als Fahrer und die anderen beiden als Sanitäter. Die Frau war bislang unbekannt.

Der Gerichtsmediziner hatte festgestellt, daß sie bereits eine Stunde vor dem Unfall an einem Herzinfarkt verstorben war. Spuren von Gewaltanwendung fand man nicht. Allerdings konnte man das aufgrund des Zustandes der Leiche nicht mehr mit absoluter Sicherheit sagen.

Aus alledem ergaben sich zwei Fragen: Wie kam eine Frau, die einem Herzinfarkt erlegen war, in einen Krankenwagen, der in der Regel keine Noteinsätze fuhr? Und warum stimmte die Nummer des Wagens mit der überein, die Lena Poljanskaja ihm angegeben hatte?

Krotow wollte am Montag die Firma aufsuchen und dort seine Fragen stellen. Als Lena nun am Samstagabend anrief, ertappte er sich dabei, daß ihn sogar ein so schrecklicher Anlaß freute, sie wiederzusehen. Gegen 23.00 Uhr traf Krotow an der Schmidtstraße ein. Zunächst schaute er sich im Hof um. Dort war alles ruhig. Für alle Fälle entschied er sich, zu Fuß hinaufzugehen, um die Treppe zu kontrollieren. Zwischen der fünften und der sechsten Etage saßen zwei junge Burschen auf dem Fensterbrett, rauchten und redeten leise miteinander. Als sie Schritte hörten, verstummten sie. Einer stand auf, beugte sich über das Geländer und erkundigte sich nach der Uhrzeit.

»Und was machen Sie hier, wenn man fragen darf?« gab Krotow zurück.



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