Leichenraub by Tess Gerritsen

Leichenraub by Tess Gerritsen

Autor:Tess Gerritsen [Gerritsen, Tess]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Thriller
ISBN: 9783809025399
Herausgeber: Limes
veröffentlicht: 2007-01-01T23:00:00+00:00


19

Schon früh am Abend war Schielaugen-Jacks Wahl auf ihn gefallen. Der Matrose saß allein an einem Tisch; er redete mit niemandem und starrte immer nur auf den Rum, den Fanny ihm servierte. Drei Gläser hatte sie ihm schon hingestellt, für mehr reichte sein Geld nicht. Er kippte den letzten Schluck hinunter, und während Fanny wartete, kramte er in seinen Taschen nach Münzen, wurde aber nicht fündig. Jack konnte sehen, wie Fanny die Lippen zusammenpresste, wie ihre Augen sich zu Schlitzen verengten. Sie hatte keine Geduld mit Schnorrern. Ihr Standpunkt war, dass ein Mann, der sich an einem ihrer Tische breitmachte und die bescheidene Wärme ihres Kamins genoss, gefälligst in der Lage zu sein hatte, für ständigen Nachschub an Rum zu bezahlen. Entweder man bestellte noch einen, oder man ging seiner Wege. Obwohl das Black Spar an diesem Abend halb leer war, ließ Fanny keine Ausnahmen zu. Sie machte keinen Unterschied zwischen Stammgästen und Laufkundschaft; wer kein Geld hatte, bekam nichts zu trinken und wurde an die kalte Nachtluft gesetzt. Das war das Problem, dachte Jack, während er zusah, wie Fannys Gesicht sich zu einer hässlichen Fratze verzog. Deswegen war das Black Spar vom Bankrott bedroht. Man musste nur ein Stück die Straße hinuntergehen zu dieser neuen Schenke, der Mermaid, und man fand ein lachendes junges Schankmädchen vor und ein loderndes Kaminfeuer, das die armseligen Flämmchen in Fannys Herd beschämte.

Und man traf eine große Gästeschar an, darunter viele ehemalige Stammgäste des Black Spar, die Fanny vertrieben hatte. Kein Wunder – jeder normale Mann, der die Wahl zwischen einem fröhlichen Schankmädchen und Fannys sauertöpfischer Miene hatte, würde seine Schritte zur Mermaid lenken. Jack wusste jetzt schon, was sie als Nächstes tun würde. Zunächst würde sie den unglücklichen Matrosen auffordern, noch ein Glas zu bestellen. Und wenn er es nicht bezahlen könnte, würde er ihre übliche Tirade zu hören bekommen. Denkst du, der Tisch da gehört dir? Denkst du, ich kann es mir leisten, dich den ganzen Abend da hocken zu lassen, wo du einem zahlenden Gast den Platz wegnimmst? Als ob die zahlenden Gäste schon nach diesem Tisch Schlange stünden. Ich muss schließlich die Pacht bezahlen und die Rechnungen der Handwerker. Die arbeiten nicht umsonst, und ich erst recht nicht. Er konnte sehen, wie ihre Kiefermuskeln sich anspannten, wie sie schon kampfeslustig die Muskeln ihrer stämmigen Arme spielen ließ.

Doch bevor sie etwas sagen konnte, fing Jack ihren Blick auf und schüttelte warnend den Kopf. Lass den da in Ruhe, Fanny.

Einen Moment lang starrte sie Jack an. Dann nickte sie zum Zeichen, dass sie verstanden hatte, ging zum Schanktisch und goss ein Glas Rum ein.

Sie brachte es dem Matrosen an den Tisch und stellte es vor ihn hin.

Der machte kurzen Prozess damit. Ein paar kräftige Schlucke, und das Glas war leer.

Fanny stellte ihm noch eines hin; ganz unauffällig, um nicht die Aufmerksamkeit der anderen Gäste auf das bodenlose Glas des Mannes zu lenken. Was bei dieser Kundschaft ohnehin nicht sehr wahrscheinlich war: Im Black Spar mischte man sich, wenn man klug war, nicht in fremde Angelegenheiten, sondern trank in Ruhe seinen Rum.



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