Kreuther Komplott - Kriminalroman by Kreuther Komplott

Kreuther Komplott - Kriminalroman by Kreuther Komplott

Autor:Kreuther Komplott
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Krimi
ISBN: 9783864656823
Herausgeber: emons Verlag
veröffentlicht: 2017-06-29T16:00:00+00:00


ZEHN

Justizminister Alois Kandlinger schaute sich vorsichtig um, als er das Tagungsgebäude durch einen Seiteneingang verließ. Die Pressemeute stand wie immer vor der kleinen Steintreppe am Haupteingang der Bildungsstätte, wo sie den ein- und ausgehenden Politikern, egal ob Minister oder Hinterbänkler, ihre Mikrofone vors Gesicht hielten. Wie so oft in Kreuth hatten Personaldebatten die Sachpolitik aus den Schlagzeilen verdrängt. Zwar war es irgendwo verständlich, dass sich die Journalisten weniger für die Entwicklung des ländlichen Raums oder die Reform der Kindergartenbezuschussung interessierten als für die Nachfolge des verstorbenen Fraktionsvorsitzenden. Dennoch war es immer wieder frustrierend und anstrengend, wie wenig die Sachpolitik von der Öffentlichkeit wahrgenommen und gewürdigt wurde.

Doch im Moment war es Kandlinger sehr recht, dass die anwesenden Journalisten sich nicht für die Rechtspolitik und die Justizreform interessierten. Vermutlich hätten sie ihn auch gar nicht erkannt im hellblauen Schneeanzug mit Sonnenbrille und Skimütze. Noch nie hatte ihn jemand dabei entdeckt, wie er die Mittagspause der Klausurtagung dazu nutzte, sich die Langlaufskier unter die Füße zu schnallen und sich für eine Stunde oder zwei den Loipen des heilklimatischen Luftkurortes hinzugeben. All die Jahre, in denen er im Januar in Kreuth weilte, hatte er sich diese kleine Auszeit gegönnt, egal wie heftig die politischen Debatten tobten. Und so wollte er auch heuer, trotz der angespannten Situation auf der Klausur, seine kleine, heimliche Tradition wahren. Eine diebische Freude erfüllte ihn jedes Mal, wenn sich die Journaille auf einen stellvertretenden Bezirksvorsitzenden stürzte, während ein ranghohes Kabinettsmitglied seelenruhig und unbehelligt an ihnen vorbeispazierte.

Wenige Minuten später war Kandlinger auf der Loipe. Jeden ihm entgegenkommenden Langläufer grüßte er mit einem freundlichen »Grüß Gott«. Er war froh, dass er nicht wie der Innenminister oder der Ministerpräsident aufgrund erhöhter Gefährdungsstufe auf Personenschützer angewiesen war. Ein politischer Job, der das Privatleben bis in die letzte Ecke beherrschte, käme für ihn nie in Frage. Er achtete auf das, was die jungen Karrieristen heute Work-Life-Balance nannten. Für ihn war seine Auszeit einfach nur Lebensqualität.

Verdammt, dachte Kandlinger, als er das Handy in der Tasche seines Anoraks läuten hörte. Eigentlich gab es niemanden, der ihn während dieser kurzen Unterbrechung stören durfte und der nicht mal eine Stunde warten konnte. Die vergangenen Jahre hatte er hier auf den verschneiten Wegen niemals Handyempfang gehabt und sich daher auch nie darum bemüht, das Telefon auszuschalten oder auf lautlos zu stellen. Offenbar wurde das Mobilfunknetz immer weiter ausgebaut, und die Strahlung zeigte nirgendwo mehr Erbarmen, auch in den idyllischsten Ecken der Natur nicht.

Es dauerte einen Moment, bis er mit seinen behandschuhten Fingern den Reißverschluss seiner Jackentasche geöffnet und das Handy herausgefischt hatte. Das Display zeigte eine unterdrückte Nummer an, was auf einen Top-Beamten aus dem Ministerium hindeutete – oder auf seine Mutter, die im Pullacher Seniorenstift ein altes Wählscheibentelefon auf dem Zimmer hatte.

»Kandlinger«, meldete er sich. Es war nicht seine Mutter.

»Das ist gut, dass ich Sie direkt erreiche, Herr Minister«, sagte Oberstaatsanwalt Holze.

»Das sehen Sie vielleicht so«, brummelte Kandlinger leise. Und lauter sagte er: »Was gibt es Wichtiges?«

»Also, ohne Präliminarien: Ich brauche eine Ministerentscheidung.« Holze klang aufgeregt, trotzdem sagte er als Jurist nicht »Vorgeplänkel«, sondern »Präliminarien«.



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