Kluftinger - Milchgeld by Kluepfel Volker & Kobr Michael

Kluftinger - Milchgeld by Kluepfel Volker & Kobr Michael

Autor:Kluepfel, Volker & Kobr, Michael
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Krimis & Thriller
veröffentlicht: 2010-08-27T00:00:00+00:00


***

Der Kommissar konnte die Fahrt ins Präsidium zu seinem Leidwesen nicht für seine Überlegungen nutzen. Er war eben nicht allein. Richtig überlegen konnte er nur ganz allein. Im Auto ging es höchstens noch unter Anwesenheit seiner Frau. Zwischen den Eheleuten war es nicht peinlich, wenn sie einmal eine halbe Stunde gar nichts zueinander sagten. Erika wusste dann, dass er seine Indianerphase hatte: Sie verglich ihren Mann in diesen Situationen mit einem Häuptling, der stundenlang vor seinem Tipi sitzt und in die Landschaft schaut, ohne einen Ton zu sagen. Jeder der Indianer aber – so meinte sie – würde wissen, dass die paar Worte, das »Uff« oder »Hugh«, das er dann von sich geben würde, die Quintessenz der Überlegungen sein würden.

Kluftinger war verstimmt. Mussten die anderen alle drei Minuten etwas Belangloses sagen – immer dann, wenn er ins Nachdenken kam? Sie wussten, dass er nicht über das, was sie eben erfahren hatten, sprechen wollte, mussten sie dann über entgegenkommende Autos und sogar über die aktuellen Hygieneprobleme der am Weg liegenden Kemptener Kläranlage sprechen?

Rasch zog er sich im Präsidium in sein Büro zurück. Er wollte nachdenken.

Natürlich kam er im Verlauf des Tages nicht so richtig dazu Dauernd wurde er gestört, meist in Zusammenhang mit der Auswertung von Lutzenbergs Unterlagen. Zusätzlich kostete ihn vor allem die lästige Büroarbeit mehr Zeit, als er eigentlich wollte. Irgendwann am frühen Abend wurde es ihm zu bunt: Er wies Frau Henske an, ihn mit nichts mehr zu behelligen, außer der Täter würde sich selbst stellen.

Kluftinger bat sie außerdem, dafür zu sorgen, dass sich alle Anwesenden um 20 Uhr zu einer weiteren Dienstbesprechung im Konferenzraum einfinden würden. Das hieß, dass der Dienstschluss keinesfalls vor 20.15 Uhr zu erwarten war. Er entschuldigte sich bei ihr kurz für die Maßnahme, die, das war ihm klar, nicht gerade auf Begeisterung stoßen würde. Zwar wussten alle, dass der Arbeitstag – obwohl dies in Kempten eher die Regel war – nicht immer zum vorgesehenen Termin endete. Viele Kollegen hatten aber sicher nach dem Dienst etwas vor, vielleicht ihren Partnern versprochen, etwas mit ihnen zu unternehmen. Einigen eher älteren Polizisten konnte man den Gram über solche Überstunden ansehen, auch wenn er oft nur entstand, weil sie mal wieder die Tagesschau versäumen würden. Dennoch wusste jeder, dass man eine solche Anordnung zu akzeptieren hatte und die Schwere des vorliegenden Falles machte die Maßnahme allen ohnehin verständlich.

Nun konnte Kluftinger nicht nur die Schuhe ausziehen und den obersten Hemdknopf öffnen, es war ihm so unbeobachtet sogar möglich, seinen Gürtel zu lösen und den Hosenknopf, der ihn etwas einschnürte, aufzumachen. Er legte sich auf das Sofa und machte sich bereit für seine Geistesarbeit.

Plötzlich klingelte das Telefon. Der Kommissar schreckte hoch. Er musste kurz eingenickt sein, dachte er sich, denn als er auf seine Uhr am Schreibtisch sah, bemerkte er, dass es bereits 19-57 Uhr war. Es war Sandy, die anrief, um ihn an die Konferenz zu erinnern. Hastig räusperte sich Kluftinger. Er hatte Hunger. Dass er eingeschlafen war, wunderte ihn wenig, es war ein Tag voller neuer Erkenntnisse gewesen, der ihn ganz schön geschlaucht hatte.



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