Kleopatra. Königin am Nil (B00YP6L48M) by Ute Schall

Kleopatra. Königin am Nil (B00YP6L48M) by Ute Schall

Autor:Ute Schall [Schall, Ute]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Acabus Verlag
veröffentlicht: 2015-05-13T04:00:00+00:00


… und Thanatos

Arsinoë ertrug die Enge des Tempelinneren nicht mehr, den Geruch von Weihrauch, der in den düsteren Räumen waberte und ihr die Luft zum Atmen nahm, das gespenstische Licht, das die Cella in geheimnisvollen, ja Angst einflößenden Dämmer tauchte, und die dunklen Schatten auf den Wänden, vom Schein zahlloser Öllampen hingeworfen, Furcht erregende Gestalten, die einander aufzulauern, sich zu verfolgen und schließlich wie von Mörderhand gefällt zusammen zu sinken schienen. Auch war ihr, als riefen sie ihr unbekannte Stimmen von hier weg, süße Töne, die lockten, nicht losließen und ihr den Verstand verwirrten. So mochte einst Odysseus dem Gesang der Sirenen gelauscht haben.

Hilflos blickte sie zum Standbild der Göttin, hoffend, die Große Mutter werde ihr beistehen, sie von der quälenden Angst befreien. Aber Artemis zeigte nur ihr gewohntes Lächeln, als spotte sie über die Sorgen der jungen Frau.

Schweißperlen traten Arsinoë auf die Stirn. Die Decke des Gotteshauses drohte über ihr einzubrechen. Ihr schwindelte. Mit einem leisen Aufschrei stürzte sie ins Freie. Mochten ihre Mitschwestern in ihren Gebeten und frommen Weisen zu Ehren der Göttin fortfahren, Artemis würde es ihr gewiss verzeihen, wenn sie die heilige Handlung für einige Augenblicke verließ, um Luft zu holen und die Gedanken in ihrem wirren Kopf zu klären.

Der späte Abend war kühl. Schon vor Tagen hatte sich mit heftigen Regenfällen der Herbst angekündigt und ein langer und einsamer Winter stand vor der Tür. Die Pilgerströme, die zur warmen Jahreszeit nicht abrissen, waren verebbt. Nur noch wenige junge Frauen verirrten sich hierher, dazu vereinzelte Paare, die nicht bis zum nächsten Frühjahr warten wollten, um der Göttin ihre Bitten vorzutragen, etwa den lang gehegten Kinderwunsch doch endlich zu erfüllen, ihre Ehe zu retten oder der Hochschwangeren zu einer leichten und schmerzlosen Geburt zu verhelfen. Ansonsten aber lag der Tempel verlassen, bewohnt nur von wenigen Priesterinnen, die nach wie vor den Dienst an der Göttin versahen.

Auch das nahe Ephesus ging einer ruhigen Zeit entgegen. Das Theater war geschlossen, die berühmte Bibliothek verwaist. Erst in Monaten würden wieder Gelehrte eintreffen, um ihr Wissen in den gewaltigen Büchersälen, die den Vergleich mit denen von Alexandria nicht mehr scheuen mussten, zu erweitern. Ephesus’ Straßen waren wie leergefegt. Nur unten am Hafen dümpelten ein paar Schiffe vor sich hin und einige Fischer boten ihren kärglichen Fang an. Der Himmel, der tagsüber bedeckt gewesen war, klarte auf und ein voller Mond verstreute ein blasses Licht auf die Erde. Alles war still, auf beängstigende Weise lautlos. Arsinoë ließ sich auf den Stufen nieder, die zum Eingang des Gotteshauses führten. Ein paar Augenblicke nur wollte sie verweilen, sich erholen und ihre Ängste abschütteln. Wovor fürchtete sie sich überhaupt? Was sollte ihr noch geschehen? Schon bald würde sie, wie es ihre Anhänger immer wieder versicherten, als Königin nach Alexandria zurückkehren, in die Stadt ihrer Geburt, in der das ganze Jahr über fröhliches Treiben herrschte, deren Theater, Bäder und Bibliotheken während der Wintermonate nicht schlossen und deren Königspalast für seinen Prunk in der gesamten zivilisierten Welt berühmt war. Doch nicht nur ihre Gefolgsleute, auch die von ihr bemühten Wahrsager hatten ihr eine große Veränderung prophezeit.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.