Kassandra Voss 03 - Fischland-Feuer by Kastner Corinna

Autor:Kastner, Corinna [Kastner, Corinna]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783863587826
Herausgeber: Emons Verlag
veröffentlicht: 2015-04-10T00:00:00+00:00

19

Kassandras Magen grummelte. Nachdem sie die Gästezimmer noch gründlicher als sonst geputzt hatte und nirgends mehr auch nur ein Staubkörnchen lag, hielt sie es zu Hause nicht mehr aus. In einer Stunde sollte sie im »Dünentraum« mit Siegfried Streblow wegen der möglichen Ausstellung ihrer Fotos reden. Sie war nervös und nicht in der Lage, still zu sitzen oder sich mit etwas Sinnvollem zu beschäftigen. Also gab sie auf und lief die Strandstraße entlang in Richtung Seebrücke. Dabei kam sie am »Dünentraum« vorbei, das sie, so gut es ging, zu ignorieren versuchte. Frischer Wind um die Nase war jetzt das Beste für sie. Passend dazu wehte der kräftig und brachte entsprechenden Wellengang.

Normalerweise hätte sie die am Wellenbrecher sprühende Gischt bewundert, doch heute wurde ihr Blick auf etwas anderes gelenkt: Auf der rechten Seite lag längs der Brücke ein Schiff, was ein ungewöhnlicher Anblick war. Nur sehr selten legten hier Boote oder gar Schiffe an. Dieses war weder zum Freizeitvergnügen da, noch war es ein Seenotrettungskreuzer. Kassandra kannte das etwa fünfunddreißig Meter lange Seezeichenschiff mit dunkelblauem Rumpf und weißem Brückenhaus. Es war die »Görmitz«, von der aus Mitarbeiter des Wasser- und Schifffahrtsamtes Stralsund damit beschäftigt waren, für das Leuchtfeuer den rot-weiß geringelten Mast, den Kassandra gestern Simone Kleist gegenüber erwähnt hatte, an der Brücke zu befestigen. Keine leichte Aufgabe bei dem Wellengang, das Schiff schaukelte ganz schön, doch den Männern machte das nichts aus. Unbeeindruckt verrichteten sie ihre Arbeit, bis der Mast fest verankert war.

Einsatzbereit war das Leuchtfeuer damit noch lange nicht. Zunächst mussten Technik und Elektrik fertiggestellt und der neue Standort auf sämtlichen Karten verzeichnet werden. Kassandra schätzte, dass noch Monate ins Land ziehen würden, bis von hier zum ersten Mal Zeichen über die See geschickt würden und das alte Leuchtfeuer mit der Nebelstation weiter südlich in den Dünen ersetzt werden konnte.

Sie versuchte, sich die Brücke vorzustellen, wie sie noch gestern ausgesehen hatte, aber es fiel ihr schwer, der Mast war zu dominant. Das Rot-Weiß leuchtete so strahlend gegen den knallblauen Himmel, dass sie es kaum ignorieren konnte.

»Gefällt’s Ihnen?«, fragte jemand direkt neben ihr.

Kassandra erkannte Barthels Stimme sofort, trotzdem – oder gerade deswegen – kostete es sie Überwindung, sich zu ihm umzudrehen. Sein Blick war genauso herausfordernd wie auf Pauls Zeichnung.

»Ist mal was anderes«, sagte sie.

Zu ihrer Überraschung amüsierte ihre Bemerkung Barthel unverkennbar. »Hat Ihnen schon mal jemand gesagt, dass Sie als Diplomatin ausgesprochen ungeeignet wären? Sie geben sich wirklich Mühe, jederzeit Ihr Missfallen klar und deutlich zum Ausdruck zu bringen.«

»Da täuschen Sie sich. Ich habe im Gegenteil Neuartigkeit und Abwechslung gepriesen«, erwiderte Kassandra.

»Natürlich«, stimmte Barthel ihr zu. »Ich muss Ihren Tonfall missverstanden haben.«

»Das haben Sie wohl.« Sie hielt mit Mühe seinem Blick stand, versuchte aber, sich das nicht anmerken zu lassen.

Am Ende war er es, der zuerst weg- und zum Mast hinsah.

»Mein Haus hat Seeblick«, sagte Barthel. »Ich werde fortan jeden Tag Neuartigkeit und Abwechslung bewundern können.«

»Soll ja nicht für immer sein. Außerdem zwingt Sie niemand, hier zu leben«, rutschte es Kassandra raus. Weshalb reizte es sie nur, ihm dauernd an den Karren zu fahren, sogar wenn er ihre eigene Meinung vertrat?

Er wandte sich wieder ihr zu.

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