Karl der Große by Frankfurter Allgemeine Archiv

Karl der Große by Frankfurter Allgemeine Archiv

Autor:Frankfurter Allgemeine Archiv
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Frankfurter Allgemeine Zeitung Verlag
veröffentlicht: 2014-08-07T00:00:00+00:00


Karl, der Große?

Die Gebeine des Kaisers wurden anthropologisch untersucht

Von Erika Pomsel

Einhard, der Biograph Karls des Großen, berichtet, dass die sterblichen Überreste des Kaisers an dessen Todestag, dem 28. Januar 814, in der Aachener Pfalzkapelle beigesetzt wurden. Er gibt nicht an, wo genau sie bestattet wurden. Schon bald mussten wegen der drohenden Normannenstürme alle Hinweise auf die Grabstätte verschleiert werden. Wahrscheinlich legte man ein schlichtes Erdgrab an.

Die nächste Nachricht stammt aus der sächsischen Chronik des Thietmar von Merseburg für das Jahr 1000. Sie besagt, dass Otto III. zu nächtlicher Stunde in der Grabeskirche den Fußboden öffnen und dort nachgraben ließ. Es drängte den Kaiser wohl in einer Zeit der Weltuntergangsstimmung, seines großen Vorgängers ansichtig zu werden. Spätere Berichte schmücken das Ereignis legendenhaft aus: Karl saß wie ein Lebender auf einem Stuhl, die goldene Krone auf dem Haupt. Die Verwesung hatte die Glieder noch nicht zerstört. Nur an der Nasenspitze fehlte ein Stück. 'Dies ließ der Kaiser sogleich durch Gold ersetzen.' Lediglich einen Zahn entnahm er dem Mund Karls. Dann befahl er, 'das Grab in großer Ehrfurcht' wieder zu schließen.

Im 12. Jahrhundert wird erneut von einer Graböffnung berichtet. Friedrich Barbarossa, der Karl zur Zentralfigur eines neuen Nationalkultes machen wollte, ihn sogar vom Gegenpapst Paschalis III. heiligsprechen ließ, veranlasste die Öffnung des spätantiken Proserpina-Sarkophags, in dem mittlerweile die Gebeine aufbewahrt wurden. Erzbischof Rainald von Köln und Bischof Alexander von Lüttich legten sie in eine hölzerne Lade. 1215 nahm der vergoldete Karlsschrein sie auf, der noch während der Regierungszeit Barbarossas in Auftrag gegeben worden sein dürfte. Bei der Verschließung war Friedrich II., der Staufer, dabei, er schlug den letzten Silbernagel ein.

Der Karlsschrein ist seither acht- oder neunmal geöffnet worden. Einige Male wurden – meistens urkundlich belegt – Reliquien entnommen. So wird zum Beispiel die Schädelkalotte des Kaisers seit Mitte des 14. Jahrhunderts in der 86 Zentimeter hohen, silbern-vergoldeten Karlsbüste in der Aachener Domschatzkammer aufbewahrt. Dort befinden sich noch andere Karlsreliquiare: das große Armreliquiar, eine Stiftung des französischen Königs Ludwig XI. von 1481, sowie das dreitürmige Reliquiar, gleichfalls mit einem Armknochen Karls versehen. Ein drittes Armreliquiar ist heute im Pariser Louvre. Der Aachener Bischof Berdolet schenkte es im Jahr 1804 während eines Kuraufenthaltes an den heißen Quellen der Kaiserin Josephine, ohne Wissen und Zustimmung des Domkapitels, wohl aus Dankbarkeit gegenüber Napoleon. Der Korse hatte Marc Antoine Berdolet zum Oberhirten des von ihm geschaffenen Bistums Aachen ernannt.

Der Karlsschrein steht in der Chorhalle des Aachener Doms. An der Stirnseite thront Karl der Große zwischen Papst Leo III. (rechts) und Erzbischof Turpin von Reims (links), über dem Kaiser schwebt eine Halbfigur Christi. Foto: Ann Münchow © Domkapitel Aachen



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