Kaltenbach & Alkay 02 - Isarterror by Urthaler Ulrich

Autor:Urthaler, Ulrich [Urthaler, Ulrich]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783863589493
Herausgeber: Emons
veröffentlicht: 2019-10-30T16:00:00+00:00

Nichts kommt aus dem Nichts

Als Christoph abends das »Peace« betrat, saß Atik bereits an seinem gewohnten Platz an der Theke und war alles andere als nüchtern.

»Ich sehe«, begrüßte ihn Christoph, »du bist schon länger hier.«

»Höchstens eineinhalb Promille lang«, gab Atik zur Antwort. »Gib ihm seinen Stoff«, rief er dem Wirt zu, »damit er schnell auf ein erträgliches Level kommt. Es führt zu nichts, wenn einer nüchtern ist und der andere blau.«

Pies stellte Christoph ein Glas Rotwein hin. Der nippte vorsichtig. »Hmmh«, machte er, kostete nochmals und ließ die Probe sich zwischen Zunge und Gaumen entfalten. »Ist das etwas Neues?«

»Nö.« Pies grinste über sein zerfurchtes Gesicht, dessen tatsächliches Alter schwer einzuschätzen war. Vom Habitus gab sich der Kneipier ja als Berufsjugendlicher: Selbst im Winter trug er dasselbe wie im Sommer, ein verblichenes schwarzes T-Shirt zur verblichenen schwarzen Jeans. Die langen Haare hatte er stets zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, der im Lauf der Jahre im Rauch und Rausch der Kneipe eine seltsame Färbung angenommen hatte, etwas in der Mischung von weißgraugelb. Seine Haut glich der einer von der Sonne ausgedörrten Echse, nicht unähnlich jener seines Lieblingsmusikers Keith Richards. Den totentänzigen Rolling Stone verehrte er jedoch weniger aufgrund seiner instrumentellen Fähigkeiten, die auch nach fünfzig Jahren Rock 'n' Roll recht begrenzt geblieben waren. Nein, er bewunderte Richards hauptsächlich wegen seiner legendären Leistung, diese fünfzig Jahre voller Exzesse überhaupt überlebt zu haben.

»Nö.« Bei Pies existierten nur zwei Arten von Konversation. Entweder fand sie fragmentarisch statt oder uferte aus. Er schlurfte an seinen Zapfhahn zurück, um den Bierfluss weiter anzukurbeln. Atik orderte ein neues Helles, während Christoph herauszuschmecken suchte, um welche Sorte Wein es sich handelte. Nach mehreren Schlucken, die er im Mund rotieren, schmirgeln und schmurgeln ließ, tippte er fröhlich ins Blaue hinein auf einen Anagallis Rosso Toscana vom Weingut Lilliano.

Pies’ Grinsen wurde breiter. »No way«, verkündete er. »Der kommt aus Georgien. Gemein, ich weiß. Aber nach deinem hinterfotzigen Auftritt letztens musste das Imperium einfach zurückschlagen.«

Anerkennend schwenkte Christoph sein Glas, damit die ölige Flüssigkeit ihr Volumen entfalte. »Nicht schlecht! Respekt, Pies. Woher hast du den Fusel?«

»Da taucht manchmal ein Typ auf, Georgier oder so. Hat früher in Waffen gemacht. Jetzt handelt er mit Wein. Das sei der Gesundheit bekömmlicher, sagt er.«

»Moment!« Atik konnte noch so viel getrunken haben, wenn jedoch gewisse Reizwörter fielen, war er von einer Sekunde auf die andere hellwach. »Georgien, das ist doch im Kaukasus, oder?«

»Volles Rohr«, bestätigte Pies. »Warum?«

»Dieser Typ, von dem du eben sprachst, schmuggelte der die Waffen?«

»Nix Schmuggel. Der hat hier ganz offiziell Gewehre und so Zeugs gekauft und den Krempel in sein Heimatland geliefert, mit Ausfuhrlizenz und allem Pipapo. Muss zu Zeiten des Krieges mit den Russen gewesen sein, da hatten die Leutchen wohl größeren Bedarf.«

Christoph verstand, worauf Atik hinauswollte. »Kommt der Kerl öfter zu dir? Kennst du seinen Namen, die Adresse vielleicht?«

»Schön langsam, ihr Freaks!« Pies hob abwehrend die Hände. »Könnt ihr mir verraten, was da läuft?«

»Okay.« Atik winkte den Wirt näher. »Ich erzähle dir jetzt etwas, aber top secret.«

Es war nicht ungewöhnlich, dass die Kommissare Pies in Details ihrer Ermittlungen einweihten.

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