Internat auf Probe by Dagmar Hoßfeld
Autor:Dagmar Hoßfeld [Hoßfeld, Dagmar]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783551650917
Google: cUDYSAAACAAJ
Herausgeber: Carlsen Verlag GmbH
veröffentlicht: 2010-10-14T22:00:00+00:00
Der Besuchstag am nächsten Tag lenkt Carlotta von ihren schmerzenden Muskeln und den Blasen an ihren Händen ab. Mama, Steffen und die Zwillinge sind extra früh angereist, um sich alles von ihr zeigen zu lassen. Sie haben drei Tüten Gummibärchen und Lakritzschnecken mitgebracht, frische Wäsche, ein paar T-Shirts und eine schicke neue Jeans.
Als Mama ihr Zimmer sehen will, zuckt Carlotta zusammen. Am Morgen sah es noch ziemlich chaotisch aus, obwohl Manu einen ganzen Tag und den Vorabend Zeit hatte, um aufzuräumen. Bei der Zimmerkontrolle hatte Frau Heselein ihr eine Frist gesetzt, über die Manu allerdings nur gekichert hat.
Vorsichtig macht Carlotta die Tür auf und späht um die Ecke, bevor sie erleichtert den Blick freigibt. Manu hat sich wirklich große Mühe gegeben. Ihr Bett ist ordentlich gemacht, alle Klamotten befinden sich im Koffer, dessen Deckel sich verdächtig wölbt. Manu hat ihn halb unter ihr Bett geschoben. Nur die einzelne Socke baumelt nach wie vor an der Deckenlampe. Manu muss sie übersehen haben.
„Was für eine originelle Dekoration“, bemerkt das Nilpferd prompt. „Habt ihr die extra für den Besuchstag dort aufgehängt?“
Carlotta wird rot. „Ähm, nö, nicht direkt … Manu ist neulich in eine Pfütze getreten. Sie hat die Socke bestimmt zum Trocknen an die Lampe gehängt.“
„Aha“, murmelt das Nilpferd.
Mama hat Lennart auf dem Arm und schaut sich neugierig um. Carlotta hat ihr Lennart abgenommen und kitzelt ihn am Bauch. Er gluckst vergnügt.
„Nett habt ihr’s hier“, lächelt Mama. „Richtig gemütlich.“ Wenn du wüsstest!, denkt Carlotta finster.
„Hast du dich mit deinen Mitbewohnerinnen schon ein bisschen angefreundet?“ Mama geht ans Fenster und wirft einen Blick in den Park.
„Ja, klar … ein bisschen“, seufzt Carlotta. „Wollen wir jetzt wieder raus? Ich kann euch den Park zeigen und das Bootshaus und alles andere.“
Sie ist froh, dass Mama und Steffen sofort zustimmen. Zu großartigen Erklärungen über ihre beiden Mitbewohnerinnen verspürt sie nicht die geringste Lust. Mama und Steffen würden sie wahrscheinlich sowieso nicht verstehen.
Auf dem Rasenplatz hinter dem Schloss herrscht lebhaftes Treiben. Das Wetter ist sonnig und herrlich warm. Carlotta und Mama setzen die Zwillinge ins Gras und lassen sie krabbelnd die Gegend erkunden. Zwischen den Besuchern laufen Oberstufenschüler hin und her. Sie haben sich als Kellnerinnen und Kellner verkleidet und reichen den Eltern Sekt, Saft und Schnittchen. Alle horchen auf, als Dr. Brönne um Aufmerksamkeit bittet.
„Unsere Sextaner haben ihre ersten beiden Wochen auf Schloss Prinzensee verbracht“, beginnt der Internatsleiter seine Ansprache. „Es waren aufregende, spannende Wochen, und nach einigen Anlaufschwierigkeiten haben sich alle Fünftklässler gut in das Internatsleben eingefügt und ohne Ausnahme ihren Platz bei uns gefunden. Ich freue mich, Ihnen und euch mitteilen zu dürfen, dass ihr alle die Probezeit bestanden habt. Unser fünfter Jahrgang darf sich ab sofort offiziell Prinzenseer nennen!“
Während Eltern und Schüler begeistert Beifall klatschen, runzelt Carlotta die Stirn. Hat Dr. Brönne denn nicht mit Manu gesprochen? Die legt mit Sicherheit keinen gesteigerten Wert darauf, sich Prinzenseerin zu nennen. Überhaupt: Wo steckt Manu eigentlich?
Carlotta stellt sich auf die Zehenspitzen, um besser sehen zu können. Von Manu ist weit und breit nichts zu sehen. Auch Sofie glänzt durch Abwesenheit.
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