Im Schatten by Milad Klein

Im Schatten by Milad Klein

Autor:Milad Klein [Klein, Milad]
Die sprache: deu
Format: azw3
Tags: Libanon, Clan, Nordrhein-Westfalen, Bürgerkrieg, Fiktion, Kriminalität, Raubüberfall, Roman
veröffentlicht: 2019-11-24T08:00:00+00:00


15

Düsseldorf 2014

Am Abend der Verhandlung fuhr Karim mit seinem schwarzen Mercedes auf eine abgelegene Grünfläche. Es war schon spät, weswegen weit und breit keine Menschenseele zu sehen war. Ruhig saß er in seinem Wagen und wartete eine halbe Stunde, ehe er in weiter Ferne Scheinwerferlicht sah. Karim schaltete sein eigenes Scheinwerferlicht an, um seine Position preiszugeben. Er sah geduldig dabei zu, wie der Wagen sich auf ihn zubewegte. Ungefähr zehn Meter vor ihm hielt er an. Der korpulente Meier, der einige Zeit zuvor die Familie um Hilfe gebeten hatte, den Missbrauchstäter seiner Tochter zu finden, stieg aus dem Wagen und blieb davor stehen. Karim stieg ebenfalls aus.

Unsicher fragte Meier: »Haben Sie ihn?«

Karim erwiderte kein Wort. Er ging zum Kofferraum und verschwand für einige Momente dahinter.

Plötzlich kam eine dünne Gestalt zum Vorschein. Meier konnte einen erwachsenen Mann erkennen, der auf dem Boden herumkrabbelte. Man hatte ihm einen schwarzen Sack über den Kopf gezogen, und seine Hände waren gefesselt worden. Karim befahl dem Mann, ganz langsam aufzustehen und vorsichtig nach vorne zu gehen. Der gefesselte Mann tat, was er ihm sagte, und je näher er kam, umso genauer konnte Meier seine blutüberströmten Klamotten erkennen. Noch nie hatte er solche Angst gehabt wie in diesem Moment. Zwar hatte er sich wochenlang seinen Rachefantasien hingegeben, doch jetzt, wo ein menschliches Wesen aus Fleisch und Blut sich vor ihm hinkniete, war alles anders, als er es sich vorgestellt hatte. Karim kam näher und trat an Meier heran. Der Mann, der auf dem kalten Gras kniete, winselte undeutlich vor sich hin.

Meier fragte: »Woher wissen Sie, dass er es ist?«

»Er ist es«, erwiderte Karim. »Dafür stehen wir mit unserem Namen.«

Nervös näherte sich Meier dem Täter und tastete an dem schwarzen Sack herum.

Karim unterbrach ihn: »Sind Sie sicher?«

Meier schaute verwirrt. Er verstand nicht so recht, was er ihm damit sagen wollte.

»Manchmal ist es besser, nicht die ganze Wahrheit zu erfahren«, fuhr Karim fort.

Damit gab sich Meier jedoch nicht zufrieden. Zu groß war seine Neugier, zu tief seine Skepsis. Er ignorierte Karims Rat und riss mit einem Ruck den Sack vom Kopf des Mannes. Als er das Gesicht des Täters sah, krümmte sich sein ganzer Körper. Seine Beine wurden so schwach, dass er sich kaum noch aufrecht halten konnte. Kraftlos lehnte er sich an Karims Auto. Vor lauter Verzweiflung überkam ihn ein Weinkrampf. Er weigerte sich, das Ganze zu glauben.

Dann schrie er Karim an: »Sind Sie verrückt? Lassen Sie meinen Bruder gehen!«

Karims Gesicht blieb jedoch ausdruckslos.

Meier sah sich seinen kleinen Bruder eine Weile an. Er erkannte es an seinem Blick. Als sie noch jünger waren, hatte er ihn öfter bei gewissen Dingen auf frischer Tat ertappt. Und jedes Mal hatte er den gleichen Blick draufgehabt. Es war sein Instinkt, der ihm sagte, dass er es tatsächlich gewesen war. Sein Kopf fing an zu rattern. Alle Puzzleteile fügten sich endlich zusammen. Er erinnerte sich an viele verschiedene Situationen zurück, in denen sein Bruder außergewöhnlich zärtlich zu seiner Tochter gewesen war. Die ständigen Versuche, sie könne doch bei ihm übernachten und Filme schauen, weil er als Onkel mehr Zeit mit ihr verbringen wolle.



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