Im Anfang war der Tod by Eberhard Weidner

Im Anfang war der Tod by Eberhard Weidner

Autor:Eberhard Weidner [Weidner, Eberhard]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: tolino
veröffentlicht: 2017-05-08T22:00:00+00:00


3. TEIL:

… UND ICH

WAR DER TOD.

KAPITEL 18

Der großgewachsene Mann mit der stämmigen Figur und dem Vollbart saß auf einer Bank neben den Geräten eines Spielplatzes, der sich auf einer von hohen Bäumen und dichten Büschen gesäumten Wiese befand. Die Bäume und Büsche waren vermutlich dazu gedacht, tagsüber das Lärmen und Toben der spielenden Kinder zu dämpfen, damit die Anwohner sich nicht so gestört fühlten. Sie sorgten gleichzeitig aber auch für einen ausgezeichneten Sichtschutz, sodass man von außen nicht so leicht entdeckt werden konnte.

Dennoch schien den Mann auf der Bank jäh das Gefühl zu beschleichen, dass er beobachtet wurde. Er hob die Schultern und zog wie eine übergewichtige Schildkröte unwillkürlich den Kopf ein. Dann schüttelte es ihn, als fröstelte er. Er sah sich ersichtlich unbehaglich um und lauschte dabei mit höchster Konzentration, während er gleichzeitig den Atem anhielt, ohne sich dessen bewusst zu sein. Doch sosehr er sich auch anstrengte, es war nicht das Geringste zu sehen oder zu hören. Er zuckte ratlos mit den breiten Schultern, bevor er sich schließlich wieder seufzend nach vorn wandte und einen kurzen Blick auf seine Armbanduhr warf. Dann richtete er, wie er es zuvor schon getan hatte, den Blick wieder abwechselnd auf die Schaukel, den Sandkasten und das Klettergerüst, die im Licht des blassen Mondes am wolkenlosen Himmel deutlich zu erkennen waren. Der Ort, der bei Tageslicht in der Regel von fröhlichem Kinderlachen erfüllt wurde, machte in der Nacht einen verlassenen und geradezu gespenstischen Eindruck, was das unbehagliche Gefühl des bierbäuchigen Mannes erklären könnte. Aber vielleicht dachte er in diesem Augenblick auch nur über vergangene Zeiten nach, als er selbst noch ein Kind gewesen war.

Der heimliche Beobachter, dessen bohrenden Blick der Mann auf der Bank gespürt haben musste, hatte sich in den Nachtschatten gehüllt, den die Bäume warfen, als wäre er ein Zaubermantel, der ihn unsichtbar werden ließ. Deshalb hatte ihn der andere auch nicht entdeckt. Und selbst als er sich nun aus diesen Schatten löste, war kein Geräusch zu hören, so behutsam bewegte er sich voran.

Der Mann auf der Bank war weiterhin ahnungslos. Er wurde allerdings langsam ungeduldig, denn die Person, die er hier treffen sollte, war nun schon seit mehreren Minuten überfällig. Die in ihm heranwachsende Ungeduld sorgte dafür, dass er allmählich wütend wurde. Und die Wut und der unkontrollierbare Jähzorn, die ihn immer stärker erfüllten, ließen ihn immer unaufmerksamer für seine Umgebung werden. Ideale Bedingungen also für jemanden, der sich ungehört und ungesehen von hinten an ihn heranschleichen wollte.

Die Person aus den Schatten behielt den Mann aufmerksam im Auge, während sie sich ihm vorsichtig näherte. Nur noch wenige Schritte, dann hätte sie ihn erreicht. Doch die letzten Meter, das wusste sie, waren immer die schwierigsten. Zu groß war die Gefahr, dass der andere etwas hörte oder die herannahende Gefahr instinktiv spürte. Und dann wäre das Überraschungsmoment verloren. Der Mann auf der Bank würde aufspringen und herumwirbeln und sich gegen den heimtückischen Angriff zur Wehr setzen. Und bei seiner Größe und Körperkraft wäre er gewiss ein ernstzunehmender Gegner. Diesen Mann durfte man nicht unterschätzen.



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