Ich habe sieben Leben by Frederik Hetmann
Autor:Frederik Hetmann
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Südamerika, Protest, Dritte Welt, Legende, Popstar, Kuba, Ernesto Che Guevara, Fidel Castro, Guerilla, Partisane, Sozialismus, Bolivien
Herausgeber: FUEGO
veröffentlicht: 2013-06-02T16:00:00+00:00
Der Mann aus Havanna
Zwei wirtschaftspolitische Forderungen Guevaras sind es, die bald das Misstrauen der orthodoxen Altkommunisten erregen, die inzwischen in Kuba in wichtige Schlüsselstellungen aufgerückt sind. Zum einen die moralische Werttheorie und die sich aus ihr ergebenden, weitreichenden Konsequenzen, zum anderen die von Che in den ersten Jahren nach dem Sieg der Revolution auf Kuba betriebene Forcierung der Industrialisierung, um so der sich nach dem Boykott durch die USA schon abzeichnenden wirtschaftlichen Abhängigkeit von der Sowjetunion wenigstens etwas gegensteuern zu können.
Bei den orthodoxen Kommunisten (vor allem in dem Altkommunisten Carlos Rafael Rodríguez und dem Parteisekretär Anibal Escalante erwachsen Che zwei gefährliche Gegner) ist die Vorstellung, dass die Utopie sogleich in der Gesellschaft verankert werden müsse, freilich nur ein Anklagepunkt unter vielen. Für sie war, wie man in inzwischen zugänglichen Berichten aus Moskau und in den von ihnen in Blättern des Ostblocks lancierten Artikeln nachlesen kann, Guevara abwechselnd »ein Anarchist«, »ein Trotzkist«, »ein romantischer Abenteurer«, »ein Mann, dessen kleinbürgerliche Vorstellungen von den Pariser Existentialisten herrühren, und der, statt sich an unsere erfahrenen Freunde im Osten zu halten, unter dem Einfluss der Hyperintellektuellen Frankreichs steht.« Che spricht von den Altkommunisten stets als von der »Kamarilla«. Diese Verächtlichkeit wird verständlich, wenn man weiß, dass beispielsweise Carlos Rafael Rodríguez (und er steht hier stellvertretend für einen Typ, den des Alten-Garde-Kommunisten!) vor der kubanischen Revolution mit Batista und anderen korrupten Präsidenten der Ära vor Castro zusammengearbeitet hatte.
Der entscheidende und schließlich wohl auch von der sowjetischen Führungsspitze als gefährlich angesehene politische Programmpunkt fällt in der Ansprache, die Guevara 1961 auf der von Präsident Kennedy inspirierten »Interamerikanischen Konferenz« in Punta del Este hält. Er sagt: »Wir können nicht aufhören, unser Beispiel, wie es die USA wünschen würden, zu exportieren, denn dieses Beispiel ist von einem Geist beseelt, der alle Staatsgrenzen überspringt... wir können nicht versprechen, dass die kubanische Idee nicht auch anderswo Wurzeln schlägt. Fidel sagt: ›Falls die sozialen Missstände fortbestehen, werden die Anden die Sierra Maestra Amerikas sein.‹«
Eine solche Ausweitung der kubanischen Revolution nach Südamerika läuft der weltpolitischen Parteilinie der Sowjets in diesen Jahren zuwider, die auf einen Status quo mit den USA abzielt.
Durch das berüchtigte Schweinebuchtunternehmen der Amerikaner im April 1961 mag Che in seinen Vorstellungen noch bestärkt worden sein. Über die Umstände, unter denen er die Invasion der vom CIA ausgerüsteten und in Sold genommenen kubanischen Emigranten auf der Insel erlebt, erzählt er:
»Ich befand mich in einer Hütte nahe der Küste und wartete auf die Ankunft dieser Burschen. Plötzlich fiel ein Schuss, und ich spürte Blut in meinem Mund. Meine eigene Pistole, entsichert, war mit dem Patronengürtel, den ich immer trug, zu Boden gefallen. Durch den Aufprall löste sich der Schuss. Die Kugel traf mich in die Wange. Um einen Zentimeter, und sie wäre mir ins Gehirn gedrungen ...«
Etwa seit dem Jahr 1961 zeichnet sich ein alternativer Kurs in den politischen Vorstellungen von Castro und Guevara ab, der seine Ursachen nicht zuletzt auch in dem unterschiedlichen Temperament und den verschiedenartigen Lebenserfahrungen dieser beiden Männer in ihrer Jugend gehabt haben mag.
Che will die Ausweitung des Befreiungskampfes auf Südamerika.
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