Ich habe einen Namen by Hill L

Ich habe einen Namen by Hill L

Autor:Hill, L [Lawrence Hill]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 978-3-8321-8655-5


Sie kommen und gehen von heiliger Erde

{Manhattan, 1775}

Solomon Lindo und ich fuhren auf der Queen Charlotte von Charles Town Richtung Norden. Tag um Tag wuchsen die Wellen vor dem Bug des Schiffes auf, brachen, schäumten und schienen mir zuzurufen: Du wirst nie wieder Land sehen. Das Wasser wirkte dunkel und bedrohlich genug, um einen Menschen allein mit seiner Kälte umbringen zu können. Mir graute vor meiner kleinen Kabine unter Deck, und ich hätte Tag und Nacht oben über der Wasserlinie gestanden, wäre es nicht immer kälter geworden, je weiter wir nach Norden kamen. Lindo wollte jeden Tag neu mit mir sprechen, aber ich entschuldigte mich von jeder Diskussion über seine Korrespondenz.

Schwarze Bedienstete in weißen Hosen und roten Westen servierten den Händlern und Pflanzern aus Charles Town gekochte Krabben und geröstete Erdnüsse. Die Passagiere waren in ausreichend guter Stimmung, um sich ihnen gegenüber hier draußen auf offener See freundlich zu verhalten, aber ich durfte nicht mit in den Essraum der Weißen und wies Lindos Einladungen in seine Kabine zurück. Er schien die Reise als Gelegenheit zu sehen, sich zu entspannen und sich mit mir zu unterhalten, und es ärgerte ihn, dass ich Abstand von ihm hielt.

Am dritten Tag unserer Reise, dem einzigen milden, sonnigen Tag an Bord, faulenzten die Männer und Frauen an Deck und ließen sich von den Negern Madeira, Zigarren und Orangen bringen. Lindo packte sein tragbares Schachspiel aus und sagte, ich solle mich zu ihm setzen, was ich nur tat, weil meine Beine zu müde waren, um noch länger zu stehen. Die Leute hielten es für eine Kuriosität, dass ich Schach spielen konnte, und Lindo forderte einen Mann mit Strohhut und rot verbrannten Unterarmen auf, gegen mich anzutreten. Er setzte zwei Guineen auf mich. Vor Jahren, als unser Verhältnis noch herzlich gewesen war, hatte Lindo mir alle möglichen Strategien erklärt. Bringe zuerst die Mitte des Brettes unter deine Kontrolle. Richte deine Läufer wie Kanonen aus und deine Pferde wie Spione. Gebe deinem Gegner keinen Raum, sich zu bewegen. Kontrolliere und attackiere seinen König, setze ihn fest. Ich fand, es war ein schmutziges Spiel, aber es ersparte mir, mit Lindo reden oder mir seine endlosen Litaneien über den schwindenden Indigo-Markt anhören zu müssen. Der Mann mit dem Sonnenbrand staunte, als ich ihn schachmatt setzte, und wurde wütend, weil Lindo mir die zwei Guineen gab.

»Sie hat sie verdient«, sagte Lindo mit einem Achselzucken.

Ich sah meinem Gegner wohlweislich nicht in die Augen und ließ das Gold in meiner Tasche verschwinden.

Am nächsten Morgen segelten wir in den Hafen, und erst als wir uns dem Land näherten, sah ich, dass New York eine Insel war, einem langen Bein gleich, auf dessen Fuß sich die Leute drängelten.

»Sie nennen sie Manhattan«, sagte Lindo, »nach dem indianischen Wort für hügelige Insel: Manna-hata.«

Ich hatte mich während der ganzen Reise bedrückt gefühlt, doch als ich jetzt auf die Straßen voller Gebäude blickte und allein fünfzehn Kirchtürme zählte, von denen der größte hoch aufwuchs wie ein Riesenbaum, hob sich meine Stimmung etwas. Manna-hata bot ein tröstendes Durcheinander. Insel oder nicht, vielleicht war es die Art Ort, an dem ich Zuflucht finden konnte.



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