Harte Schnitte by D.B.Blettenberg

Harte Schnitte by D.B.Blettenberg

Autor:D.B.Blettenberg [D.B.Blettenberg]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Pendragon
veröffentlicht: 2015-12-04T00:00:00+00:00


2

Frost liebte Sansibar.

Er fühlte sich wohl in den engen Gassen, unter den fünfzehntausend Bewohnern der alten Steinhäuser im arabischen Stadtkern. Er genoß es, im Labyrinth zwischen den mächtigen Holztüren mit ihren filigranen Schnitzereien und Metallbeschlägen umherzustreifen, über sich die wuchtigen Balkone, deren Teak aus Indien importiert worden war. Er badete im Geruch der exotischen Gewürze. Selbst der Stromausfall, der ihn auf dem Weg zum »Africa House« überraschte, spornte seine Abenteuerlust eher noch an.

Eine Sekunde lang hatte er Angst, sich zu verirren. Und wenn schon? Schlimmstenfalls sprangen neue spannende Erlebnisse dabei heraus. Ein Glück, daß der letzte Monat der Vorbereitung auf der Insel stattgefunden hatte. Kiswahili-Training und Landeskunde. Begierig hatte er alles in sich aufgesogen. Die Sultane von Oman waren weitaus interessanter als Marx, Engels und Lenin zusammen. Von den Helden der Deutschen Demokratischen Republik ganz zu schweigen. Die Herrscher aus Oman hatten sich zwischen 1804 und 1888 auf der Insel etabliert. Old Stone Town wurde 1828 Hauptstadt. Zum Bau der prachtvollen Häuser setzte man indische Handwerker als Aufseher ein. 1892 wurde Sansibar zum Freihafen erklärt.

Frost blieb einen Augenblick stehen, warf den Kopf in den Nacken und sah in den sternenübersäten Himmel. Wann hatte er sich zum letzten Mal derart leicht Jahreszahlen gemerkt? Die erste Phase der modernen Stadtplanung hatte im Jahr 1923 mit dem Briten H. V. Lanchester begonnen, dessen Landsleute die Perle des Sultans als ihr Protektorat betrachteten. Das war von 1890 bis 1963 gewesen. Den Sklavenhandel schafften die Briten 1897 ab. Offiziell. Inoffiziell handelten viele Araber auch danach noch mit Menschen.

Frost spazierte weiter, wich einem entgegenkommenden Passanten aus und trat dabei in eine Grube. Fast wäre er gestürzt, aber der Schmerz im Knöchel riß ihn regelrecht hoch. Vorsichtig setzte er den Fuß wieder auf. Anscheinend war alles heil geblieben. Er ging langsam weiter und versuchte, das angestauchte Gelenk nicht zu sehr zu belasten.

Lanchester und ein einheimischer Architekt indischer Abstammung namens Ajit Singh hatten islamisch-arabischen und kolonialen Baustil zu jener Mischung verschmolzen, durch die er sich im Augenblick vorantastete.

Er stolperte erneut.

Diesmal war es nur ein Abfallhaufen. Entschlossen stieß er in dunklere Regionen vor. Der Einfluß des Sultans und der Briten hatte im Januar 1964 nach einer blutigen Revolution geendet. Der erfolgreiche Aufstand brachte der afrikanischen Bevölkerungsmehrheit die Macht, Im April desselben Jahres schloß sich Sansibar mit dem Festland zur United Republic of Tanzania zusammen. Damit begann auch der Zerfall von Stone Town, da die britische Verwaltung und die reichen Kaufleute aus Arabien und Asien die Flucht ergriffen und sich niemand mehr um Pflege und Instandsetzung der Altbauten kümmerte. Die Dhaus steuerten nun Mombasa als südlichen Endpunkt ihrer Route an. An das Landleben gewöhnte Afrikaner zogen in die Gebäude. Für deren Lebensstil war das Mauerwerk nicht geeignet. Die Häuser waren nicht gut für die Menschen, und die Menschen waren nicht gut zu den Häusern.

Heutzutage war der Erhalt der Altstadt ein Fall für die Entwicklungshilfe. Frost bedauerte, daß er kein Architekt war wie die beiden Kollegen, die mit ihm Kiswahili gebüffelt hatten und bei der Stone Town Conservation & Development Authority mitarbeiten durften.



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