Geschichte von Florenz by Reinhardt Volker
Autor:Reinhardt, Volker
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783406645129
Herausgeber: C.H.Beck
veröffentlicht: 2015-01-06T05:00:00+00:00
4. Die Republik der Medici (1434–1494)
Abrechnung und Neuordnung
Die Würfel waren zugunsten der Medici gefallen. Was jetzt geschehen musste, hatten die Verlierer ein Jahr zuvor unfreiwillig vorgemacht – alles, was sie versäumt hatten, besaß jetzt höchste Priorität. Die Rehabilitierung Cosimos, der im Gegensatz zu späteren Triumphbildern nicht in feierlicher Prozession, sondern vorsichtshalber bei Nacht und Nebel zurückkehrte, das parlamentum und die von diesem bestellte Sonderkommission waren reine Formalitäten. Ernst wurde es mit der Durchmusterung der politischen Klasse, mit der sich die Sieger viel Zeit ließen, und zwar mit Absicht, denn je länger die Anhänger der Albizzi auf die Folter gespannt wurden, desto größer wurde ihre Bereitschaft, andere zu denunzieren und Parteigeheimnisse auszuplaudern. Die «Entalbizzifizierung» war am 3. November 1434 abgeschlossen. An diesem Tag wurde die Liste veröffentlicht, mit der mehr als neunzig Anhänger des alten Regimes aus Florenz verbannt wurden. Zusammen mit denjenigen, die in Florenz bleiben, aber keine Ämter mehr bekleiden durften, wurden 109 Personen vom politischen Leben ausgeschlossen. Darunter waren über Parteigrenzen hinweg respektierte Persönlichkeiten wie der greise Palla Strozzi, der sich erst spät und widerstrebend den Gegnern der Medici angeschlossen hatte.
Parteiräson kam vor christlichem Mitleid. Neben Palla und den Albizzi mussten führende Linien der Aldobrandini, Altoviti, Brancacci, Corsi, Gianfigliazzi, Guadagni, Peruzzi und Ricasoli den bitteren Weg in die Verbannung antreten: ein kleines Who is who der alten Republik. Todesurteile wurden 1434 durch die Medici ebenso wenig verhängt wie im Jahr zuvor durch die Albizzi. Diese Mäßigung stand in auffallendem Gegensatz zu so vielen gleichzeitigen oder späteren Konflikten in anderen Städten Italiens und Europas. Nach drei Jahrhunderten kommunaler Regierung hatte der Prozess der Zivilisation in Florenz einen Entwicklungsstand erreicht, der Blutvergießen ausschloss und auch in Zukunft stark eindämmte. Trotzdem sollte man die «Menschlichkeit» der Sieger nicht unbesehen loben. Zum einen war auch die Verbannung eine harte Strafe; Palla Strozzi zum Beispiel erholte sich von diesem Schlag nicht mehr und starb im Exil. Zum anderen stand hinter der Zurückhaltung nüchternes politisches Kalkül.
Einige der vertriebenen Geschlechter wie die Brancacci verschwanden auf Dauer aus den Annalen von Florenz. Doch die meisten Exilierten durften noch selbst ein Comeback erleben. Die Medici überwachten das geschäftliche und politische Verhalten ihrer Gegner an deren neuem Aufenthaltsort sehr genau und honorierten gute Dienste mit der Erlaubnis zur Rückkehr. Nach weiterem Wohlverhalten konnten sie sogar in den Kreis der Gunstempfänger aufgenommen werden. Hart war auch das Los der Verdächtigen in Florenz selbst. Sie standen ebenfalls unter Beobachtung und Bewährungszwang. Giovanni Rucellai (1403–1481), Palla Strozzis Schwiegersohn, ging daraufhin, wie seine Aufzeichnungen belegen, in die innere Emigration, betrieb gelehrte Studien und harrte der Wiederaufnahme in den Kreis der primi, die er 1466 durch die Heirat seines Sohnes Bernardo mit Nannina, der Tochter Piero de’ Medicis, noch erleben durfte. Besondere Glückserlebnisse verschaffte ihm – wie seine Aufzeichnungen belegen – der 1457 begonnene Bau seines Palastes, den der humanistisch gebildete «Gentleman-Architekt» Leon Battista Alberti aus der gleichnamigen Florentiner Magnatenfamilie für ihn gestaltete. Alberti, der sich lebenslang durch seine außereheliche Geburt benachteiligt fühlte, schuf für den suspekten Patrizier Rucellai einen Wohnsitz, der mit
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