Gereon Rath 07 - Marlow - 2018 by Volker Kutscher

Gereon Rath 07 - Marlow - 2018 by Volker Kutscher

Autor:Volker Kutscher [Kutscher, Volker]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Kriminalroman
Herausgeber: PIPER
veröffentlicht: 2018-10-29T23:00:00+00:00


44

Er wurde durch ein seltsames Geräusch geweckt, ein lautes, hartes, gläsernes Klacken. Rath schlug die Augen auf, konnte durch die beschlagenen Scheiben aber nichts Genaues erkennen. Außer dass irgendetwas dunkles Hartes penetrant gegen das Fahrertürfenster des Buick klopfte.

Er richtete sich auf und öffnete die Tür. Sah einen grün-schwarz uniformierten Mann mit lederner Pickelhaube und hölzernem Schlagstock, der in der Bewegung innehielt, als er Rath erblickte. Vorn an der Pickelhaube prangte das von zwei Löwen flankierte bayrische Rautenwappen.

»Guten Morgen«, sagte Rath und blinzelte in die Morgensonne.

»Heil Hitler«, raunzte der Schutzmann. »Sie san aber ned von hier?«

»Ne. Berlin. Sagt doch auch das Nummernschild.«

»Derf i fragn, was Sie hier dun?«

»Sieht man das nicht?«, sagte Rath. »Schlafen.«

»Klar seh i des, des is aber fei ned erlaubt.«

»Schlafen? Ist in Bayern nicht erlaubt?«

»Nu machen’s edds kaa Widdse ned! Sie wisset, des i Sie wegen Landschdreicherei festnehme könnd?«

Rath wunderte sich. Nicht nur darüber, dass in Bayern immer noch Gendarme mit Pickelhaube herumliefen, sondern auch darüber, dass man hier noch wegen Landstreicherei belangt werden konnte.

»Entschuldigen Sie, ich habe in meinem Auto übernachten müssen, weil in ganz Nürnberg und Umgebung offensichtlich kein Hotelzimmer mehr zu haben ist. Ich bin doch kein Landstreicher!«

»Wenn’s kaa Zimmer ned finde, denn müssen’s sich halt kümmern. Hier im Auto schlafe, des geht jedenfalls ned.«

»Hören Sie, guter Mann. Sie reden mit einem Kollegen, der den weiten Weg von Berlin bis Nürnberg gemacht hat, weil sein Sohn die Ehre hatte, mit der HJ zum Reichsparteitag zu marschieren. Der Adolf-Hitler-Marsch. Schon davon gehört?«

Der Uniformierte stutzte.

»Ein Kollege?«, fragte er.

»Ja.« Rath zeigte seinen neuen Dienstausweis. »Preußisches Landeskriminalamt.«

Der bayrische Wachtmeister studierte das Dokument. »Preißen?«, sagt er dann, und es klang, als habe er sich nach einer ansteckenden Krankheit erkundigt.

»Jawohl. Bin aber nicht dienstlich hier, sondern privat. Habe keine Herberge mehr gefunden. Aber dass Sie mich deswegen der Landstreicherei bezichtigen, ist absurd. Ich …«

»Oberkommissar Rath!« Der Wachtmeister nahm Haltung an und sprach sogar Hochdeutsch. »Es wäre mir eine Ehre, Sie für die Dauer des Reichsparteitages beherbergen zu dürfen.«

»Aber …« Rath war perplex. »Das ist doch nicht nötig, ich könnte mich noch ein bisschen umhören. Bin gestern Abend erst angekommen.«

»Davon abgesehe, dass Sie kaa aanziche freie Besenkammer in und um Nämberch finde werde: kaa Widerrede. Unter Kolleche is so ebbes doch selbstverständlich.« Der Gendarm streckte seine rechte Hand aus. »Draxler, angenehm. Hauptwachtmeister im Dienste der bayrischen Gendarmerie.«

Rath schlug ein. »Danke, Hauptwachtmeister.«

»Dann machen’s sich mal frisch, Herr Rath, dann zeig i Ihne den Weg. Wenn wir’s zeitig schaffe, macht mei Rosi uns noch a klaans Frühschdügg.«

Wachtmeister Draxler wohnte tatsächlich mitten in Schwabach, nur ein paar Ecken entfernt vom Rathaus am Königsplatz, in dem die Polizeiwache stationiert war. Und seine Frau war ein Sinnbild der treuen deutschen Hausfrau, der es eine Freude war, ihrem Mann und dessen Gast noch ein üppiges Frühstück zuzubereiten.

»Des is der Herr Rath, Rosi. Sei Bua is mit der HJ marschiert. Von Berlin. I dacht, mir gebe ihm d’Kammer vom Schorsch.«

Rosemarie Draxler nickte devot und schenkte den Männern Kaffee ein.

»Unser Bua is eddserdla bei der Wehrmacht«, sagte Draxler stolz.

Rath nickte und wandte sich dem Frühstück zu.



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