Friesische Vergeltung by Susanne Ptak

Autor:Susanne Ptak [Ptak, Susanne]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-95573-323-0
Herausgeber: Klarant Verlag
veröffentlicht: 2015-09-24T16:00:00+00:00

Von wirren Albträumen gequält, wälzte Andrea sich unruhig im Bett hin und her. Sie erwachte schlagartig, als sie plötzlich grob am Arm gepackt wurde.

„Du musst mir Tee machen, ich bin krank“, blaffte Hans-Herrmann sie an.

Schnell stand Andrea auf, streifte den Morgenmantel über und lief nach unten in die Küche, ohne sich zu erkundigen, an welcher Krankheit ihr Mann litt, denn das wusste sie bereits. Sie selbst hatte sie schließlich verursacht.

Während sie Teewasser aufsetzte, konnte sie hören, wie Hans-Herrmann oben ins Bad ging und sich übergab. Oh Gott, sie hätte das nicht tun dürfen! Sie hätte nicht auf Ineke hören sollen! Wenn sie jetzt mit ihm ins Krankenhaus fahren würde, dann könnten sie Hans-Herrmann dort noch retten. Schon wollte Andrea nach oben gehen, um sich anzuziehen. Doch sie zögerte. Sie würde den Ärzten sagen müssen, woran ihr Mann erkrankt war. Und wenn Hans-Herrmann das erfuhr …

Sie kümmerte sich weiter um die Zubereitung des Tees.

Der pensionierte Richter lag wieder im Bett, als Andrea mit dem heißen Getränk nach oben kam. Er war leichenblass und sein Gesicht schmerzverzerrt.

„Was ist nur mit mir los?“, stöhnte er.

Andrea stellte die Tasse auf dem Nachttisch ab. „Vermutlich eine Magen-Darm-Grippe. Die geht gerade um.“ Sie kramte in der Tasche ihres Morgenmantels und legte dann ein Medikamentenpäckchen neben die Teetasse. „Etwas gegen Durchfall.“

„Na, wenigstens denkst du mit“, murmelte Hans-Herrmann und machte sich an der Packung zu schaffen.

Zorn stieg in Andrea auf. Selbst wenn es ihm so schlecht ging, musste er immer noch austeilen. Vielleicht hatte sie doch richtig gehandelt.

Es wurde eine lange Nacht. Hans-Herrmann ging es immer schlechter. Irgendwann musste Andrea ihn ins Bad führen, weil sein Kreislauf nicht mehr mitmachte. Mehrfach wollte sie doch noch den Notarzt rufen, aber sie widerstand dem Drang. Die Sonne stand schon am Himmel, als er endlich einschlief. Magenkrämpfe und Übelkeit hatten nachgelassen.

Andrea zog sich an und ging wieder in die Küche, um eine Suppe zu kochen. Sie wusste, dass es ihrem Mann bald gut gehen würde, und dann wollte er sicher Suppe für seinen kranken Magen. Sie wusste aber auch, dass diese Besserung trügerisch und von kurzer Dauer sein würde.

Wie es ihm wirklich ging, erfuhr Andrea nicht, denn Hans-Herrmann wechselte den ganzen Tag kein Wort mit ihr. Er hielt sich in seinem Arbeitszimmer auf und kam nur zum Essen herunter. Auch die Mahlzeiten verzehrte er schweigend.

Sobald Andrea hörte, dass ihr Mann zu Bett ging, holte sie eine Wolldecke aus dem Flurschrank und rollte sich auf dem Sofa zusammen. Sie wusste nicht, wann die Beschwerden zurückkommen würden, doch sie war sicher, dass sie das auch hier unten mitbekommen würde.

Es war noch dunkel, als Hans-Herrmanns Schreie sie weckten. Die Leuchtziffern am Fernseher zeigten vier Uhr dreißig an. Schnell sprang Andrea auf, schaltete das Licht ein und lief zum Telefon. Hastig wählte sie die Nummer der Familie de Vries. „Haltet euch bereit“, sagte sie mit zitternder Stimme, sobald Ineke sich meldete.

„Andrea! Hilf mir!“, brüllte Hans-Herrmann.

Während Andrea nach oben ging, hörte sie, wie nebenan der große Traktor angelassen wurde.

„Du musst mich ins Krankenhaus fahren“, stöhnte Hans-Herrmann, sobald sie das Schlafzimmer betrat.

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